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: Die „Ratte des Glücks“ brachte Sars

Dem europäischen Aberglauben nach war das possierliche Tier immer schon ein Unheilsbote. Wenn eine Fledermaus sich in den Haaren eines Menschen verfängt, so will es der Volksmund, muss dieser mit dem Schlimmsten rechnen: Handelt es sich um eine Jungfrau, so wird sie das auch bleiben. Allen anderen drohen Krankheit oder gar Tod.

In China dagegen wird das kleine Säugetier mit dem raffinierten Ortungssystem Fuk-Schii genannt, zu Deutsch: Ratte des Glücks. Ihr Kot, Wu Ling Zhi, gehört zu den traditionellen Heilmitteln der chinesischen Medizin und wird beispielsweise bei Menstruationsbeschwerden angewandt. Näher an der Wahrheit sind vermutlich die Europäer.

Wie Wissenschaftler jetzt herausgefunden haben, sind wilde Fledermäuse „sehr wahrscheinlich“ die ursprünglichen Träger des Sars-Erregers. Das „schwere akute Atemwegssyndrom“, wie die Abkürzung ausgeschrieben heißt, hat bei seinem epidemieartigen Ausbruch vor zwei Jahren zu weit mehr als 900 Todesfällen und Tausenden von schweren Erkrankungen geführt. Am schlimmsten traf es damals China, Hongkong, Singapur und Kanada.

Bislang hatte es geheißen, das Virus könne von einer Mungoart, so genannten Larvenrollern, stammen, die in Südchina auf den Märkten geschlachtet und verzehrt werden. Stutzig gemacht hatte Forscher allerdings, dass die Larvenroller sehr unter dem Virus litten – hätten sie länger mit ihm zu tun gehabt, hätten sie besser zurechtkommen müssen.

Die Fledermaustheorie scheint dagegen relativ gut abgesichert. Immerhin sind inzwischen zwei Wissenschaftlerteams zu sehr ähnlichen Ergebnissen gekommen – eine Gruppe an der Universität Hongkong und eine Kooperation von Chinesen, Australiern und US-Amerikanern. Im Blut und bei Abstrichen von drei Arten der Hufeisennasen-Fledermaus fanden sie ein Virus, das „zu 92 Prozent mit dem menschlichen Sars-Virus übereinstimmt“. Die Tiere selbst waren gesund.

Die Hufeisennasen-Fledermaus ist in China stärker verbreitet als in Europa. Sie ist zwischen vier- und sechseinhalb Zentimeter klein, wiegt gerade mal so viel wie ein Standardbrief und gilt als gefräßig – was die Natur ihr leicht gemacht hat: Sie sendet ihre Ortungslaute über eine Art Nasenaufsatz aus, während ihre Verwandten dazu den Mund brauchen. So kann sie sich gleichzeitig orientieren und fressen.

Wie der Sars-Erreger von der Hufeisennasen-Fledermaus zum Menschen kommt, ist noch unklar: Wissenschaftler untersuchen jetzt, wie gefährlich der Genuss ihres Fleisches oder die Verwendung ihres Kots tatsächlich ist. BEATE WILLMS