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Kämpfer für mehr Gerechtigkeit

SATIRE Achim Greser und Heribert Lenz haben den mit 5.000 Euro dotierten Karikaturpreis der deutschen Anwaltschaft bekommen. Das Wilhelm-Busch-Museum Hannover widmet ihnen derzeit eine Ausstellung

„Ich möchte mit Ihnen über die Defizite Ihrer digitalen Persönlichkeit sprechen.“ Das sagt der IT-Berater, der mit Schlips und Anzug im Stall steht und dem Bauern beim Melken mit der Hand zusieht. Der bärtige Landwirt und seine Kuh schauen mit Unverständnis zum freundlichen Mann, dessen Hand einen Koffer mit der Aufschrift „IT-Solutions“ hält. Im Hintergrund sind verschneite Berge zu sehen. Unter der Zeichnung sieht der Betrachter den Text: „Gibt es ein Entrinnen vor dem Fluch der neuen Welt?“

Es ist eine Karikatur, die die beiden Zeichner Achim Greser und Heribert Lenz extra für die Bundesrechtsanwaltskammer angefertigt haben – als Gegenleistung für den an sie kürzlich verliehenen Karikaturpreis der deutschen Anwaltschaft in Höhe von 5.000 Euro.

Anlässlich der Preisverleihung stellt das Wilhelm-Busch-Museum Hannover noch bis zum 26. März rund 60 Werke von Greser und Lenz aus, deren Karikaturen regelmäßig in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht werden. Die Machart ist meist ähnlich: Die abgebildeten Personen nehmen zu einem aktuellen Geschehen per Sprechblase Stellung, darunter der Kommentar der Zeichner, oftmals als Frage. Da müssen etwa Adam und Eva nach ihrem Sündenfall das Paradies verlassen, wobei Adam die Worte in den Mund gelegt werden: „Wir wollten sowieso lieber nach Deutschland.“ Unter der Zeichnung die Zeile: „Muss die Bibel umgeschrieben werden?“ Am Strand geht ein um sich blickendes älteres Paar spazieren, ärgerlich meint der Mann: „Typisch Flüchtlinge. Sie verbergen sich vor uns.“ Titel der Karikatur: „Mecklenburg-Vorpommern in Angst“. Zwei Zeichnungen zu einem Thema mit unterschiedlicher Aussage, einmal auf Kosten der Flüchtlinge, die andere, um sich über die Angst vor ihnen lustig zu machen.

Es sind die großen Themen wie Putin, Erdogan, Burkaverbot, AfD, die häufig aus Sicht der kleinen Leute dargestellt werden. Da machen sich zwei Männer im Gasthaus mit einem Bierkrug in der Hand Gedanken über den geeigneten Gauck-Nachfolger, bis einer den Geistesblitz hat: „Beckenbauer! Der macht’s sogar noch ehrenamtlich.“

Bleibt die Frage: Woher rührt die Vorliebe der Vertretung der 164.000 RechtsanwältInnen in Deutschland für satirische Zeichnungen? Unter „Stiftungszweck“ des Karikaturpreises, der bisher an Zeichner wie Tomi Ungerer, Ronald Searle, Marie Marcks, Gerhard Haderer und Hans Traxler verliehen wurde, findet sich folgende Aussage: „Der satirische Künstler nimmt Partei, versteht sich meist als Anwalt der Benachteiligten und Schwachen. Suggestiv agiert er mit den ihm zur Verfügung stehenden ‚Waffen‘: Spott und Humor, Witz und Ironie, Sarkasmus und Zynismus. Karikaturen versuchen so auf unterhaltsame Weise, ihren Beitrag für eine gerechtere, eine menschlichere Welt zu leisten.“

Anwalt der Entrechteten, Kämpfer für mehr Gerechtigkeit – die Formulierungen lassen vermuten, dass die Bundesrechtsanwaltskammer damit nicht nur Karikaturisten charakterisieren will, sondern auch sich selbst meint. Ob diese Beschreibung auf die Anwälte im Allgemeinen und auf Greser und Lenz im Besonderen zutrifft, erscheint zumindest fraglich. JOACHIM GÖRES