heute in Bremen
: „Bereit für Langeweile“

Vortrag Hans Friedrich Bormann erklärt, was das Gute an Langeweile ist – gerade in der Kunst

Hans-Friedrich Bormann

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47, ist Theater- und Medienwissenschaftler. Er lehrt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

taz: Herr Bormann, was kann an Langeweile schön sein?

Hans-Friedrich Bormann: Langeweile bedeutet eine Herausforderung, denn wenn wir uns langweilen, nehmen wir ganz andere Dinge als sonst wahr. Das fällt uns dann auf und wir können uns mit uns selbst und unser eigenen Wahrnehmung beschäftigen.

Langeweile ist also mehr, als nicht zu wissen, was man tun soll?

Prinzipiell sollte Langeweile nicht abgewertet werden. Langeweile ist nicht nur Nichtstun, sondern kann durchaus produktiv sein. Solange wir im Alltag beschäftigt oder abgelenkt sind, fehlt die Zeit, unsere eigenen Gedanken zu entwickeln. Langeweile und damit Ruhe sind aber die Voraussetzung für die Entstehung von noch nie dagewesenen Gedanken.

Wann wird Kunst als langweilig empfunden?

Kennzeichen vermeintlich langweiliger Kunst sind Einfachheit, Reduzierungen und Wiederholungen. Manche führt das zu dem voreiligen Schluss, dass sie banal und sinnentleert sei.

Was macht reduzierte Kunst denn spannend?

Die Reduktion auf wesentliche Elemente erscheint zunächst nicht besonders interessant. Auf der anderen Seite gibt sie uns Zeit. Wenn zum Beispiel die Aussage eines Bildes schnell entschlüsselt wird, hat man Zeit, sich auf das Thema einzulassen. Man kann sich seine eigene Gedanken dazu machen. Selbst, wenn man denkt, dass man etwas schon häufig gesehen hat, kann es trotzdem spannend sein. Ein vermeintlich langweiliges Werk bringt uns zum Nachdenken über uns selbst. Man fragt sich, wie man das Objekt das letzte Mal gesehen hat, oder kann sich fragen, ob man es beim zweiten Anschauen in einer neuen Situation anders wahrnimmt.

Wofür soll das gut sein?

Unsere Aufmerksamkeit wird neu geschärft. Man lernt dabei viel über sich selbst. Damit muss man natürlich auch umgehen können, also bereit für die Langweile sein. Die Kunst bietet uns die Freiheit, uns auf die eigenen Gedanken einzulassen, wir können uns aber auch wieder distanzieren, indem wir das Museum, das Theater oder das Kino verlassen.

Interview: Vanessa Reiber

19 Uhr, Künstlerhaus Bremen, Am Deich 68