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Hüter der Filmgeschichte

Würdigung Für seine epochale Leistung der Film- und Kulturvermittlung geht der Bremer Filmpreis an den russischen Filmforscher und Filmhistoriker Naum Kleiman

Die Bewahrung des Filmerbes wie auch die Vermittlung von Wissen über das Kino gehören zu den wichtigen Elementen der Filmkultur. In diesem Feld hat sich kaum einer so verdient gemacht wie der russische Filmforscher und Museumsleiter Naum Kleiman.

Der 1937 in Kishinew, das heute zu Moldawien gehört, geborene Naum Ichiljewitsch Kleiman war 1967 einer der Gründer des Sergej-Eisenstein-Archivs, das er bis 1985 leitete. 1989 gründete er die Moskauer Cinemathek, deren Leitung er 1992 übernahm. Täglich wurden dort Filmklassiker gespielt, Retrospektiven und Festivals veranstaltet.

Ähnlich wie einige Jahrzehnte davor in der Pariser Cinematheque wurde so eine neue Generation von Filmemachern und Cineasten gefördert und inspiriert, weil sie hier all die Filme aus den verschiedensten Ländern, Zeiten und Genres sehen konnten.

Die Sammlung des Museums umfasst über 150.000 Objekte. Im Jahr 2005 ging das Gebäude des Moskauer Filmmuseums wegen eines Immobilienskandals verloren. Kleiman organisierte anschließend Filmvorführungen in anderen Kinos und Museen der Hauptstadt, wodurch die Cinemathek „im Exil“ weiter existieren konnte. Durch sein kompromissloses Engagement für die internationale Filmkultur wurde Kleiman im Russland Putins unbequem –und immer mehr unter Druck gesetzt.

Als Teil einer politischen Säuberungswelle in der russischen Kulturszene wurde Kleiman 2014 als Leiter des Filmmuseums abgesetzt. Im Auftrag des Kulturministers Wladimir Medinski wurde das Filmmuseum dann von der Filmjournalistin Larissa Solonicina übernommen und abgewickelt. Dadurch versank es schnell in die Bedeutungslosigkeit.

Die Jury des Bremer Filmpreises besteht in diesem Jahr aus der Mitbegründerin des Berliner Kommunalkinos Arsenal und des „Internationalen Forums des jungen Films“ Erika Gregor, der Filmemacherin und Filmwissenschaftlerin Angelina Maccarone sowie dem Kuratoren, Publizisten und Hochschuldozenten Ralph Eule.

In der Begründung ihrer Entscheidung nennen sie Naum Kleiman einen „Museumsleiter und Film-Programmgestalter, der für sein Land eine epochale Leistung der Film- und Kulturvermittlung vollbracht hat.“ Die Verleihung des mit 8.000 Euro dotierten Preises findet heute Abend im Rahmen eines Senatsempfangs im Bremer Rathaus statt. Das Bremer Kommunalkino City 46 veranstaltet als Kooperationspartner eine Filmreihe. Diese wird am Abend der Preisvergabe mit der deutschen Dokumentation „Cinema – A Public Affair“ begonnen, den Tatiana Brandrup über Kleiman und das Moskauer Filmmuseum gedreht hat.

Anschließend folgen „Oktober“ von Sergej Eisenstein, „Pater Panchali“ von Satyajit Ray und als Wunschfilm des Preisträgers „Im Lauf der Zeit“ von Wim Wenders. hip

Cinema – A Public Affair mit Naum Kleiman, Do, 21 Uhr + So 18 Uhr, City 46, Bremen

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