LeserInnenbriefe
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Gar nicht genug „Theater“

betr.: „Erika Steinbach geht rechts ab“, taz vom 16. 1. 17; „Beste Lösung“, Leserbrief Julia Engels, taz vom 18. 1. 17

Warum wird aus dieser Sache so ein Theater gemacht? Handelt es sich hier nur um eine „persönliche Angelegenheit“? Nein! Nicht, wenn man in so einer Position ist und solche Ämter bekleidet hat.

Der eigentliche Skandal ist doch, dass Frau Steinbach als selbsternannte Vertriebene so lange wichtige Funktionen ausüben konnte und von der CDU trotz aller Kapriolen Rückendeckung bekam und geschützt wurde.

Eine noch größere Schande ist es für die CDU, dass sie duldete, dass Erika Steinbach in ihrer Funktion als Vorsitzende der Stiftung für ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ in Berlin regelmäßig die Atmosphäre zu unseren Nachbarn Polen und Tschechien vergiftete. Wie kann so eine Frau sich zur Sprecherin für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aufschwingen und von ihrer Partei in dieser Position belassen werden?

Der Austritt aus der CDU ist schon lange überfällig gewesen, die CDU hat viel zu lange zu Steinbachs Äußerungen geschwiegen und sich nicht hinreichend von ihr distanziert. Die CDU hätte sie das eine oder andere Mal zurückpfeifen müssen beziehungsweise klar Stellung beziehen. Nein, um potenzielle Wähler bei den Vertriebenen nicht zu verprellen, wurde jeder Mist, den Frau Steinbach verzapft hat, geduldet.

Da kann man gar nicht genug Theater drum machen. Dazu muss man immer wieder klar Stellung beziehen und solche Leute entlarven. WOLFRAM ROGER, Bremen

Den Krieg gewonnen

betr.: Der Europäische Frühling ist nah“, Essay von Claus Leggewie und Daniel Cohn-Bendit, taz vom 17. 1. 17

Ob tatsächlich, wie von den beiden Autoren behauptet, „viele austrittswillige Engländer begreifen, dass sie sich in den Fuß geschossen haben“, bezweifele ich leider sehr. In der großteils EU-feindlichen britischen Presse, deren Stimmungsmache wahrscheinlich die öffentliche Meinung Richtung Brexit gekippt hat, heißt es viel mehr: „Remoaners“ und irgendeine „liberal elite“ sind (wieder) schuld, da sie sich nicht Feuer und Flamme für den Brexit-Unsinn einsetzen, sondern weiterhin herummeckern. Stiff upper lip und Kopf hoch. Letztendlich haben „wir“ doch den Krieg gewonnen – Moskau und Washington lassen grüßen.

WILL STUDDERT, Berlin

Probleme nicht gelöst

betr.: „Selbst schuld“, „German Angst“-Kolumne von Sonja Vogel, taz vom 17. 1. 17

Es löst keinerlei Probleme, Messerattacken und Anschläge mit Lkws einfach nur schrecklich zu finden, ohne den Kontext, die real existierende Politik der israelischen Regierung in Betracht zu ziehen, die weiterhin Landraub, Verdrängung, Häuserzerstörung und Siedlungsbau in großem Stil betreibt, „Terror“ zu rufen, der irgendwie absolut unerklärlich erscheint, und zu klagen, dass angeblich, egal was immer, Israel selber schuld sei, wie Sonja Vogel behauptet. Die Willkür, die oft auch tödliche Auswirkungen hat gegenüber den Palästinensern, die Verachtung, die ihnen entgegengebracht wird von israelischer Seite, wird von diesen ebenso als Terror empfunden.

Die israelische Journalistin Amira Hass schrieb am 9. 1 .17 unter anderem in Ha’aretz zu dem Lkw-Anschlag von Fadi al-Qanbar „Eine Gruppe uniformierter Soldaten ist für keinen Palästinenser ein neutraler Anblick. Es ist das Aussehen und die Bekleidung derer, die jede Nacht in dutzende palästinensische Häuser eindringen, die an den Checkpoints Frauen und Kinder erschießen, die zum Angriff auf den Gazastreifen geschickt werden, die Mitglieder (eig. forces) der Zivilverwaltung zur Zerstörung von Wasserzisternen, Mobiltoiletten, Blechhütten und Zelten begleiten. Dass die Israelis diese Fakten von ihrer Agenda gestrichen haben, bedeutet nicht, dass sie nicht existieren . . .“ (www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.763796).

MANUELA KUNKEL, Stuttgart

„Durchaus antisemitisch“

betr.: „Selbst schuld“, taz vom 17. 1. 17; „Seltsame Querfronten“ von Daniel Bax, taz vom 18. 1. 17

Danke für den kurzen Kommentar von Sonja Vogel, der sich wohltuend vom üblichen linken Israel-Konsens abhebt. Es wäre schön gewesen, in der taz etwas Ausführlicheres über die „Märtyrerfonds“ zu lesen.

Was Daniel Bax’ Aufregung darüber betrifft, dass Frau Roldan Menidvil vorerst nicht mehr am Osi unterrichten darf: Ein kurzer Blick in den Blog von Frau Mendivil zeigt, dass die Vorwürfe nicht ganz so haltlos sind. „Tja, wenn es nicht 1948 zur Katastrophe, zur Al-Nakba gekommen wäre“, schreibt sie und beschwert sich, dass einige der deutschen Linken den Staat Israel nicht als Kolonialprojekt der „Ashkenazim‘“ sehen würden. Der ganze Duktus spricht Bände und scheint mir durchaus antisemitisch, insofern scheint das Vorgehen des OSI durchaus richtig.

Aber man ist das in Deutschland gewohnt. Gestern durfte ich auf WDR 5 ein langes Interview mit der Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah hören, die trotz mehrfachen Nachfragens leugnete, dass die palästinesische Seite eine wie auch immer geartete Mitschuld am Nichtzustandekommen einer Zweistaatenlösung habe. Sieht man davon ab, dass der Staat Israel laut der Hamas ausgelöscht werden muss, hat sie natürlich recht.

FLORIAN NELLE, Pulheim