Kontroverser Charismatiker

Anti-Zionist Gilad Atzmon stellt seinen Roman „My one and only love“ vor und improvisert auf seinem Saxophon

„Ich terrorisiere sie mit meiner Musik.“ Nicht von bestens bekannten Verdächtigen wie Marilyn Manson, Eminem, Alice Cooper oder Georges Antheil stammt diese böse Vollmundigkeit. Es ist Gilad Atzmon, der das sagt, und „sie“, das ist in diesem Falle eine nicht ohne Vergröberung und Groll zustande kommende Idee des Staates Israel.

Geboren 1963 in Jerusalem, lebt er seit über zehn Jahren als Autor und Musiker in London. Mit einigem Erfolg: Bei Ian Durys Blockheads hat er mitgespielt, für Robbie Williams und Paul McCartney aufgenommen.

So viel beachtet aber seine Romane – deren zweiter, My one and only love, gerade auf Deutsch erschien –, so hoch gelobt ist seit Jahren der hybrid-dekonstruierte Ethno-Jazz seines Orient House Ensemble: Am kontroversesten wirkt Atzmon als politische Figur. Als Marxist und Anti-Zionist versteht sich der einstige Wehrpflichtige und Teilnehmer am Libanonkrieg von 1982, der aus seiner Opposition zur israelischen Politik keinen Hehl macht – und sich auch darin gefällt, die Shoah „wie andere historische Schilderungen“ als einen „dynamischen Prozess von Realisierung und Interpretation“ anzusehen.

So erwartungsgemäß wie reflexhaft sind denn auch die Reaktionen: Was dem einen überfällige und als „Lehre“ aus der Geschichte angemahnte Kritik an israelischer Aggression gegen „Palästina“ (die beim Namen zu nennen es idealerweise einen Israeli braucht), ist dem anderen willkommener Ausweis für jüdischen Selbsthass. Und so bekommt Atzmon Beifall von bizarrer Seite: Weil er Redefreiheit auch für Holocaust-Leugner wie Ernst Zündel gefordert und Parallelen zwischen heutiger Palästinenser-Politik und der NS-Rassendoktrin beim Namen genannt hatte, attestieren ihm „nationalanarchistische“ Querfrontstrategen „großen Mut“ und nennen ihn einen „gerechten Juden“. Anderen gilt er als „Israel-Hasser“ und „antisemitisch“.

Kaum besser ist es um die Rezeption seiner Musik bestellt: Nicht weniger als „eine charmante Attacke gegen den Musik-Kommerzialismus und gegen eine globalisierte ,Kultur‘ unter amerikanischer Ägide“ fand da ein deutscher Rezensent im jüngsten Album des Orient House Ensemble wieder, und man wundert sich fast ein wenig, dass der Irakkriegsgegner Atzmon nicht längst beim scheidenden Bundeskanzler zum Tee eingeladen war. Doch mit Politikern hat Atzmon so seine Probleme: „Ziemlich hässliche Subjekte. Ob Tony Blair oder Joschka Fischer, sie sind alle korrupt.“

Wenn er nun in Hamburg weilt, um My one and only love vorzustellen, eine zuweilen aberwitzige Groteske über Musikbiz und politische Schmutzwäsche, will Atzmon auch sein Saxophon auspacken. Auf dem, befand vor Jahren Die Zeit, könnte geschrieben stehen, es töte. Aber Sorgen machen müssten sich ja in erster Linie „sie“. Alexander Diehl

Gilad Atzmon: „My one and only love“, Hamburg 2005, 224 S., 16,90 Euro. Lesung: Di, 4.10., 20.30 Uhr, Nautilus Buchhandlung (Friedensallee 7-9)