LeserInnenbriefe
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Verstehbar und verständlich

betr.: „Sachlich und moralisch“ von Ulrich Gutmair,taz vom 10. 1. 17

Nun können wir nicht die Nutzung einer Menge von deutschen Wörtern verbieten, weil sie zu einer (anderen) Zeit in negativem Zusammenhang verwendet wurden! Auf diese Weise dezimieren wir unsere schöne Staatssprache ungebührlich und landen sprachtechnisch womöglich in wenigen Jahrzehnten bei einer englischen EU-Normsprache. Kluge Kultur - und GermanistikkennerInnen mögen sich aller historisch bekannten semantischen Bedeutungen bewusst sein. In meiner taz jedoch möchte ich deutschsprachige Berichte wie von Christoph Herwartz nicht missen, deren Wörter ohne Hintergedanken verstehbar und damit verständlich sind. BEATE HERKENDELL, Hannover

Dingen auf den Grund gehen

betr.: „Mehr Härte gegen Gefährder“, taz vom 11. 1. 17

Keine Frage. Der Begriff „Gefährder“ ist eindeutig belegt, und nichts wird so sehr diskutiert wie die Frage, wie man mit ihnen umgehen soll. Interessant finde ich dabei, wie solche Begriffe unsere Rezeption von Wirklichkeit prägen. Der „Radikalenerlass“ aus früheren Zeiten fällt mir ein. Damit sollten Leute erfasst werden, die sich „verfassungsfeindlich“ verhalten. Auch das war ein sehr merkwürdiger Link, denn das Wort radikal meint ja grundsätzlich etwas Positives. Was ist schlecht daran, Dingen auf den Grund zu gehen, sie bis zur ihrer Ursache und Wurzel hin zu verfolgen, konsequent zu handeln? All dies kommt augenblicklich durch die Verbindung zur „Verfassungsfeindlichkeit“ in Verruf.

Vielleicht stellt sich zunehmend die Frage, ob wir es schaffen, blankem Terror mutig entgegenzutreten und uns trotzdem „gefährden“ zu lassen, ob wir für unsere Verfassung eintreten und trotzdem die Möglichkeit von Radikalität zulassen. Echte Radikalität könnte vieles gefährden in einer Gesellschaft, in der man auch politisch eher oberflächlich durch die Tagespolitik zappt.

HILDEGARD MEIER, Köln

Vorhandene Gesetze nutzen

betr.: „Mehr Härte gegen Gefährder“, taz vom 11. 1. 17

Kann man denn den Terror durch härtere Gesetze und Strafen verhindern? Das ist kaum zu glauben, sehe ich die Gefahr von Vorverurteilung, und das wäre auf keinen Fall hinzunehmen! Oder will man den Bürgern mit härteren Gesetzen und Strafen ein Gefühl von Sicherheit vorgaukeln? Auch das wäre ein fatales Zeichen, denn eine 100-prozentige Sicherheit gegen Terror kann es nicht geben! Und: Woran erkennt man „Gefährder“ eigentlich?

Wer wirklich für Sicherheit sorgen will, der sollte nicht über härtere Gesetze debattieren, sondern die Gesetze nutzen, die es sowieso schon gibt! RENÉ OSSELMANN, Magdeburg

Haare anfassen

betr.: „Good Hair, Bad Hair“, taz vom 10. 1. 17

Liebe Saskia Hödl, Menschen ungefragt ins Haar packen geht gar nicht. Wie viel dabei mit Rassismus zu tun hat, weiß ich aber nicht so genau. Ich habe auch Locken, aber blonde. Als Kind fanden das viele wohl unwiderstehlich und wollten ständig den goldigen Blondschopf streicheln. Einen hab ich mal gebissen. Das kann man als Erwachsene wohl leider nicht mehr machen. Der Impuls, Haare anzufassen, war mir andererseits auch nicht fremd. Meine Mutter hatte eine schwarze Freundin, die Haare fand ich spannend, aber die Frage, ob ich mal anfassen darf, wurde brüsk abgelehnt.

Viele Jahre später arbeitete ich in Mali. Da wurde ich schon mal ohne jeden Anlass auf der Straße als Rassist angegriffen. Allerdings kam mir sofort jemand zu Hilfe und entschuldigte sich für den Landsmann. Das werde ich nie vergessen – auch weil mir klar war, dass, wer in Deutschland rassistisch angegriffen wird, nicht unbedingt auf eine ähnliche Reaktion rechnen kann. Einmal kam eine Gruppe Mädchen auf der Straße auf mich zu und fragte, ob sie meine Haut und vor allem meine Haare anfassen dürfen. Das war ein starkes Déja-vu, und sie durften. Klar, dachte ich, es ist doch spannend, wenn andere Menschen anders aussehen und sich vielleicht anders anfühlen.

Ist beim Smalltalk ein Kommentar zu den Haaren wirklich weniger intim als ein Abchecken des Status „Was machst du beruflich?“ Aber klar, wenn einem die Leute ständig an den Haaren hängen, physisch oder verbal: Das nervt.

SILKE KARCHER, Berlinl

Der beliebte Seitenhieb

betr.: „Tauber vergiftet die Diskussion“, taz vom 10. 1. 17

In der Tat war „Merkels Flüchtlingspolitik“ vor 2016 nicht alternativlos, in der zugespitzten Situation 2016 nicht und heute auch nicht. Ein zukunftsfähiges Konzept ist nicht zu erkennen und Kritik nur allzu berechtigt. Nun verteidigt Benno Stieber in dem Zusammenhang FDP-Chef Lindner, der vom CDU-Generalsekretär in die Nähe der AfD gerückt wurde. Da gehört Lindner laut Stieber nicht hin, da er „sorgfältig jeden völkischen Unterton oder Ressentiments gegenüber anderen Volksgruppen und Religionen vermeidet“. Und jetzt kommt mal wieder der in der taz beliebte Seitenhieb: „anders als übrigens die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht“. Einen „völkischen Unterton“ habe ich bisher bei Frau Wagenknecht nicht gehört. Was ist überhaupt mit „Unterton“ gemeint, auf welche konkreten Äußerungen bezieht sich das? Kritik an Politiker*innen sollte sachlich und nachweisbar sein. Ansonsten ist das üble Nachrede, die hat in der taz nichts zu suchen. ANNE LENHARDT, Braunschweig