heute in hamburg
: „Die Perspektive wechseln“

Dokumentarfilm #MyEscape vermittelt mit Hilfe von Handy-Videos Eindrücke von Geflüchteten

Stefan Pannen

Foto: berlin-producers

53, ist Autor und Regisseur von Dokumentationen und Fernsehfilmen mit eigenem Produktionsunternehmen.

taz: Herr Pannen, ist es nicht lebensgefährlich für Flüchtlinge die Szenen während der Flucht, auf einem Handy festzuhalten?

Stefan Pannen: Ja, in vielen Situationen sind die Flüchtlinge damit ein extremes Risiko eingegangen. Der Film ist auch eine Anerkennung für den Mut der Protagonisten. Viele wollten das Ausgeliefertsein dokumentieren. Zum Beispiel anhand der Szene auf der Balkanroute, wo man sehen kann, dass die Schlepper schwer bewaffnet waren. Einer der Geflüchteten hat dabei sein Handy zum Filmen im Ärmel seines Pullovers versteckt.

Wie ist ihr Team an die Handy-Videos gekommen?

Zum einen haben wir viele arabischsprachige Mitarbeiter, die unser Interesse für Aufnahmen von der Flucht in ihrem Bekanntenkreis verbreitet haben. Wir haben auch mehrere öffentliche Aufrufe gestartet und Plakate in Flüchtlingsheimen ausgehängt. Anfangs waren wir noch unsicher, ob uns das notwendige Vertrauen geschenkt werden würde. Für unser Team war es überwältigend, wie viele sich im Endeffekt dazu bereit erklärten, ihr Videomaterial zur Verfügung zu stellen.

Wie kam es zu der Idee des Dokumentarfilms?

Das Besondere an dem Film ist, dass wir die Protagonisten von Objekten zu Subjekten machen konnten. Es wurde ja bereits viel über Flüchtlinge berichtet – wir wollten den Flüchtlingen mit unserem Projekt die Möglichkeit geben, aus ihrer eigenen Perspektive und mit ihren eigenen Bildern und Worten zu berichten.

Welches Gefühl möchten Sie anhand der Geschichten beim Publikum erzeugen?

Wir wollten mit dem Film in Erinnerung rufen, die Perspektive bei dem Thema zu wechseln und nachzuempfinden. Der Zuschauer ist von Anfang bis Ende bei einer Situation dabei, die er sonst nur aus Erzählungen kennt. Viele Szenen sind extrem eindrücklich dokumentiert, so dass man sich gut in die Lage hinein versetzen kann.

Welche Szene finden Sie besonders eindrücklich?

In einer Szene filmt ein Flüchtling aus Afghanistan im leeren Benzintank eines Busses, in dem er mit vier weiteren Flüchtlingen transportiert wird. Dabei tastet seine Handykamera die Wände nach einer Luftzufuhr panisch ab, bis er schließlich ein winziges Loch findet und dort verharrt.

Interview: Nora Kaiser

Dokumentarfilm: #MyEscape, Café Knallhart, Von-Melle-Park 9 im Erdgeschoss der HWP, 19 Uhr, Eintritt frei