Gezerre um den Vorsitz des Parlaments

Europäische UnionKonservative wollen den Sozialdemokraten Martin Schulz beerben

BRÜSSEL taz | Es war ein offenes Geheimnis, alle Abgeordneten wussten davon. Doch für den Vorsitzenden der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, den deutschen CSU-Politiker Manfred Weber, war es ein Tabubruch. Überraschend veröffentlichte Weber am Dienstag eine vertrauliche Vereinbarung, derzufolge ein Konservativer auf den scheidenden Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) folgen soll. Danach trat er vor die Presse – und teilte kräftig aus.

„All jene, die diese Vereinbarung brechen, sind schuld, wenn Nationalisten und Kommunisten profitieren“, schimpfte der Bayer. Die Veröffentlichung sei ein „Selbstschutz“, um Schaden von der EVP und Europa abzuwenden. Wen er mit dieser Warnung meinte, sagte Weber auch gleich. Der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pitella, und der Vorsitzende der Liberalen, Guy Verhofstadt, hätten die Absprachen gebrochen.

Pitella hatte die Große Koalition mit den Konservativen im Dezember aufgekündigt und für die Schulz-Nachfolge kandidiert. Weber wirft ihm vor, mit „extremen Linken“ und „Kommunisten“ zu paktieren. Verhofstadt hatte die italienische Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo umworben.

Diese Manöver hätten „Zweifel an der Verlässlichkeit“ von Sozialdemokraten und Liberalen geweckt, klagte Weber. Nur Schulz nahm er aus: Der SPD-Politiker habe sich noch nach seiner Ankündigung, nach Berlin zu wechseln, loyal verhalten.

Bei Sozialdemokraten und Liberalen nahm man Webers Attacken mit Verwunderung auf. Es könne nicht sein, dass die EVP alle drei wichtigen EU-Chefposten für sich reklamiere, heißt es bei der SPD. Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sind Konservative.

Die EVP möchte nun auch noch die Führung des Europaparlaments übernehmen. Doch ihr Kandidat, der ehemalige EU-Kommissar Antonio Tajani, macht selbst einigen Konservativen Bauchschmerzen. Er gilt als Vertrauter des früheren italienischen Premiers Silvio Berlusconi – und spielte eine zwielichtige Rolle im VW-Diesel-Skandal.

Dennoch will Weber „seinen“ Mann bei der Wahl des Parlamentspräsidenten in der kommenden Woche durchboxen. Doch ohne Sozialdemokraten und Liberalen hat er keine Mehrheit. Nur mithilfe von rechten EU-Gegnern könnte es Tajani schaffen. „Wir werden keine Stimmen von Radikalen akzeptieren“, beteuerte Weber am Dienstag. Wie er Leihstimmen von Rechts verhindern will, sagte er nicht. Eric Bonse

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