das wird der monat, der wird (1)
: Große Sorge um Sankt Franz

VORSCHAU Heute mit dem fehlenden Franz, Sorgen um den Franz, Angela Merkel im Franz-Einsatz, einer Friedenstaube und einem komischen Kauz

Bad Wiessee, 5. Januar: Spezln aus der ganzen Welt, viele Investmentbanker, der Vorstand der Vontobel-Bank, dazu die komplette bayerische Staatsregierung sind zu Uli Hoeneß’65. Geburtstag an den Tegernsee gepilgert. Es ist das erste Wiegenfest seit drei Jahren außerhalb der JVA-Kleiderkammer und ohne Häftlingsdrillich. Nur der frühere Franzdampfaufallengalas Beckenbauer aus Kitzbühel, seit den Skandalen um das Sommermärchen 2006 abgetaucht, fehlt eisern. Jubilar Hoeneß ist besorgt: „Nicht mal, ob wir schon Weihnachten haben, hat er gefragt?“

Doha, 11. Januar: Trainingslager des FC Bayern in Katar: Vorstandshumorist Kalle Rummenigge erklärt, „keine Sklaven nirgendwo“ gesehen zu haben. Dies deckt sich mit früheren landeskundlichen Erkenntnissen von Franz Beckenbauer und wird als Gruß an Seine Kaiserlichkeit gewertet. Doch der reagiert nicht.

Melbourne, 16. Januar: Gleich in Runde 1 der Australian Open scheitert Novak Djokovic an einem einheimischen Qualifikanten. Boris Becker („zu wenig bum in Djokers Spiel“), der Excoach des Serben und jetzt wieder TV-Kommentator, verkneift sich jeden Spott: „Dafür bin ich zu sehr Sportsmann.“ Der sehr große Sportsmann Franz Beckenbauer müsste Becker sofort kollegial loben, indes: der einstige Alleskommentierer kommentiert nicht mehr.

Libreville, 18. Januar: Nach zwei Siegen steht Ausrichter Gabun vorzeitig im Viertelfinale des Africa Cups of Nations. Pierre-Emerick Aubameyang wird an den spielfreien Tagen als Model tätig – für Stringtangas, Rapperkluft und feinleinene Tropensmokings. Täglich muss er sich in seinen Dortmunder Tribünenkostümen zeigen.

Kitzbühel, 21. Jänner: Zehntausende säumen die Hahnenkamm-Abfahrt, aber erstmals kein Franz Beckenbauer nirgendwo. Der vortemperierte Krokodilledersitz im Ehrengastbereich bleibt leer, die Decken aus Thermoseide bleiben unangetastet. „Die Streif ist nicht die Streif ohne seine Erscheinung“, sagt Ex-Streifsieger Franz Klammer.

Berlin, 23. Januar: Angela Merkel fordert Franz Beckenbauer auf, sich umgehend zu melden. „Wir sind in großer Sorge“, so die Kanzlerin, die sich auch um den Steuerrefugee nach Österreich zu kümmern verpflichtet sieht: „Das ist ein Gebot der Nächstenliebe.“ Die beckenbauerpolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Roth, fordert „eine Bleibepflicht für Abtrünnige“. Aber der Kaiser bleibt im Dunkeln. Nicht mal die Bild-Meute erreicht ihn.

Kitzbühel, 25. Jänner: Suchtrupps der GSG9 durchkämmen gemeinsam mit der österreichischen Bergwacht die Alpen. Nichts.

Genf/Wien, 26. Janvier/Jänner: Wo bloß ist der Sommermärchenonkel? Auch die Kripo, unter Leitung des reaktivierten Wiener Polizeimajors Adolf Kottan, ermittelt.

Kitzbühel, 28. Jänner: Mit dem Schrei „Was ist denn das für ein komischer Kauz?“ entdeckt ein Waldarbeiter im dichten Schneetreiben Franz Beckenbauer reglos auf einem Baum sitzend gleich beim Golfplatz Eichenheim. Es ist allerdings nicht mehr der Beckenbauer, wie wir ihn jahrzehntelang liebten und ertragen mussten. Nein, dem Fußballkaiser, immer schon buddhistisch angehaucht („wenn dann will ich einmal als Frau wiedergeboren werden“), ist die Transformation in eine Eule gelungen. Sie lässt hinter der Brille sogar seine Gesichtszüge ahnen, trägt an den Krallen kleine Adidas-Schuhe, im Rückengefieder sieht man eine „5“ schimmern. Die Eule: das Symbol der Weisheit und der Klugheit. Der Ruhe, des Schweigens, der Kontemplation. Es ist die erste Reinkarnation, die eine Kreatur zu Lebzeiten schaffte. Aber hieß es nicht immer, dem Franz gelinge schier alles, ohne jede Mühe? Nun sitzt er da, nein sie, ein Fußballhermaphrodit; stoisch, würdevoll. Die Menschheit hält den Atem an.

Kitzbühel, 29. Jänner: Noch vor dem Morgengrauen erreichen die ersten Nachtwallfahrten den Wald, um für das Wintermärchen aus Tirol zu beten. Ergriffen sinken die Menschen auf die Knie, manche weinen hemmungslos. Abertausende Kerzen flackern. Eine weiße Taube fliegt vorbei. Der Franz im Baum, er lächelt leise wissend und schweigt. Bald schallt Händels „Hallelujah“ durchs Gehölz. Bernd Müllender