Watsch’n für die Rechtsregierung in Wien

Bei den Landtagswahlen in der österreichischen Steiermark verliert die konservative ÖVP von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Regierungsmehrheit. Damit drehen sich auch im Bund die Kräfteverhältnisse zugunsten der Opposition

WIEN taz ■ Ein politisches Erdbeben, dessen Schockwellen auch bei der Regierung in Wien Erschütterungen auslösen, hat am Sonntag einen Machtwechsel in der Steiermark herbeigeführt. Die konservative ÖVP, die bei den Landtagswahlen um 8,6 Punkte auf 38,7 Prozent absackte, muss den Landeshauptmann an die sozialdemokratische SPÖ abgeben, die sich mit zusätzlichen 9,4 Punkten auf 41,7 Prozent der Stimmen katapultierte. Die große Regierungspartei verliert damit innerhalb von anderthalb Jahren nach Salzburg ein zweites Bundesland.

Bundespolitische Auswirkungen könnte aber vor allem das Scheitern der Haider-Partei BZÖ bei ihrem ersten Antreten haben. Mit 1,7 Prozent blieb die orangefarbene Gruppierung weit von einem Einzug in den Landtag entfernt. Panikreaktionen sind bei Jörg Haider nie auszuschließen. Auch die durch die Parteispaltung geschwächte FPÖ muss mit 4,6 Prozent draußen bleiben. Anders als die Grünen, die zwar auch nur 4,7 Prozent erreichten und damit fast einen Prozentpunkt verloren – aber dank des österreichischen Wahlsystems im Landtag bleiben, weil sie ein Direktmandat erreichen konnten und somit ihre Stimmen proportional zur Bildung einer Fraktion mit drei Sitzen angerechnet werden. Sensationell, aber nach den Umfragen nicht mehr unerwartet war der dritte Platz der kommunistischen KPÖ, die mit vier Mandaten (6,3 Prozent) erstmals seit 1975 wieder in einem Landesparlament vertreten sein wird.

„Der Wähler hat immer Recht“, sprach eine sichtlich getroffene Landeshauptfrau, Waltraud Klasnic, die das Bundesland „die zehn schönsten Jahre meines Lebens“ regiert hat. Sie will weder ein Landtagsmandat noch einen Sitz in der Landesregierung annehmen, bleibt aber vorerst Parteichefin. Die Landesregierung besteht aus neun Mitgliedern, die, unabhängig von Koalitionen, nach dem Wahlergebnis besetzt werden. Die SPÖ bekommt je eines von ÖVP und FPÖ und wird damit fünf Regierungsmitglieder stellen. Die restlichen vier verbleiben bei der ÖVP.

Weder die fast hysterische Warnung vor einer rot-roten Wende, für die Bundeskanzler Schüssel zuletzt eine Europadebatte im Parlament missbraucht hatte, noch ein mit Schlägen unter die Gürtellinie gespickter Wahlkampf konnten das Debakel der ÖVP verhindern. Trotzdem denkt SPÖ-Spitzenkandidat Franz Volves nicht an eine Linkskoalition. Vielmehr will er sich zuerst an die ÖVP wenden.

Interne Streitigkeiten, die sich an der Kandidatur des ehemaligen Klasnic-Vertrauten Gerhard Hirschmann mit eigener Liste kristallisierten, und eine Serie von Pannen und Skandalen kosteten die ÖVP nach Meinung der Demoskopen ihre traditionelle Vormachtstellung. Dass die größte Wählerwanderung bisher von der ÖVP zur SPÖ stattgefunden hat und 40 Prozent der kommunistischen Stimmen aus dem bürgerlichen Lager kamen, muss auch von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Menetekel gesehen werden.

Die ÖVP verliert nicht nur ein Bundesland. Mit der Kräfteverschiebung drehen sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat, der Länderkammer des Parlaments, zugunsten der Opposition um. Und nicht zuletzt muss die ÖVP auch im Stiftungsrat des ORF, der für politisch genehme Berichterstattung sorgte, ihre absolute Mehrheit abgeben. Dass Bundeskanzler Schüssel sich in der Stunde der Niederlage nicht in Graz blicken ließ, wird ihn auch in der ÖVP Sympathien kosten. RALF LEONHARD