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Der Grüne auf dem Absprung

AUFBRUCHMit Robert Habeck ist erstmals ein Grüner der beliebteste Politiker in Schleswig-Holstein. Das hält ihn nicht ab, der Landespolitik den Rücken zu kehren

Da geht er hin und lasst das Watt bald wohl hinter sich: Schleswig-Holsteins Noch-Umweltminister und Landesparteichef Robert Habeck ist die unumstrittene Führungsfigur seiner Grünen und will es jetzt auf Bundesebene wissen Foto: Christian Charisius/dpa

Von Sven-Michael Veit

Es könnte der Sturz ins Nichts werden für Robert Habeck. Gewinnt er am 18. Januar bei der Urwahl der grünen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl nicht, ist das politisches Schicksal des Stars der schleswig-holsteinischen Grünen vollkommen offen. „Dann muss ich eben wieder Bücher schreiben“, sagte der frühere Schriftsteller bereits am 1. September auf einer Podiumsdiskussion im taz-Salon in Hamburg: „Es gibt Schlimmeres.“

Richtig ist zwar, dass der 47-Jährige sich für den Fall des Scheiterns keine Rückfahrkarte in die Landespolitik gesichert hat. Richtig ist aber auch, dass die Grünen im höchsten Norden auf ihn weder verzichten wollen noch können. Und Minister kann der aktuelle stellvertretende Ministerpräsident sowie Umwelt-, Energie- und Agrarminister auch ohne Landtagsmandat bleiben oder nach der Landtagswahl am 7. Mai erneut werden. Es wird sich schon jemand aus grünen Spitzenkreisen finden, der ihm Angebote unterbreitet.

Mit Robert Habeck ist laut aktueller Umfrage erstmals ein Grüner beliebtester Politiker des konservativen Agrarlandes Schleswig-Holstein. Ob das nun für oder gegen Habeck spricht, ist für jeden leicht zu beantworten, der ihn persönlich kennengelernt hat: Der Mann klare Grundsätze, aber keine Feinde. Selbst langjährige Gegner aus Bauern-, Fischer- und Jägerverbänden zollen dem promovierten Philosophen, den sie einst für ihren Untergang hielten, inzwischen Respekt. Authentisch sei er, suche den Dialog, höre genau zu und arbeite sich in Themen rasch und detailliert ein, geben sie zu. Und lassen zugleich durchblicken, dass sie den Verdacht haben, am Ende setze Habeck doch das durch, was er von Anfang an gewollt habe.

Auch politische Rivalen innerhalb und außerhalb der Grünen reden voller Hochachtung über Habeck. „Ein toller Typ und politischer Kopf, auf den die Grünen nicht verzichten sollten“, sagt sogar Habecks profiliertester Gegenspieler im Kieler Landtag, FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

Der Mann aus dem hohen Norden, ein erklärter Feind der Krawatte, will beim grünen Spitzen-Casting in Berlin nicht nur den Bundesparteivorsitzenden Cem Özedmir und Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter hinter sich lassen. Er seine Partei auch inhaltlich für breitere Kreise wählbar machen, ohne dabei grüne Prinzipien zu verraten. „Eine Gesellschafts- und Orientierungspartei“ soll sie werden. „Mein Angebot besteht darin, dass wir unseren Anspruch thematisch, aber auch milieumäßig erweitern“, sagt Habeck.

Deshalb müsse auch, „wer vor dem Rechtsruck der Union flieht, bei den Grünen eine neue Heimat finden können“, sagt Habeck. „Diejenigen, die es 2015 richtig fanden, dass Deutschland ein humanes Gesicht gezeigt hat, gibt es ja noch“, glaubt er. „Und sie werden durch Entscheidungen wie die zum Ende des Doppelpasses von der CDU vor den Kopf gestoßen. Wenn die Union Mitte und Moderne verlässt, müssen wir die Lücke füllen.“

Eine Position, die in der grünen Partei nicht alles andere als konsensfähig ist. Aber das zeichnet Habeck aus: Von ihm für richtig Befundendes auch dann klar zu benennen, wenn er keinen rauschenden Beifall kriegt. „Ich will, dass wir Grünen nicht nur uns selbst ansprechen, sondern breite Mehrheiten suchen.“ Habeck weicht dem Konflikt nicht aus, weil er den Kompromiss gestalten will.

Es gibt ein Wort, das Habeck hasst: Alternativlosigkeit. Dieser Begriff ist für ihn eine politische Bankrotterklärung: „Damit endet das Gespräch der Regierenden mit den Regierten“, sagt Habeck, der Freund des Diskurses. Für ihn bedeute Einfluss zu haben, „Dinge zu überprüfen und zu hinterfragen“, sagt er. „Deshalb poche ich darauf, aus kritischer Selbstreflexion heraus Mehrheiten zu erringen.“ Und deshalb warnt Habeck seine Partei auch gern vor Realitätsferne. Um handeln zu können, brauche man eben Mehrheiten: „Nur schnacken macht die Welt nicht besser.“

„Nur schnacken macht die Welt nicht besser“

Robert Habeck

Über seine Chancen bei der Urwahl im Januar will Habeck jetzt nicht spekulieren: „Ich habe da kein richtiges Gefühl.“ Özdemir und Hofreiter hätten durch ihre bundespolitische Präsenz mehr mediale Möglichkeiten und könnten auf größere Landesverbände zählen, Habeck hat hingegen viereinhalb Jahre administrative Erfahrung als Landesminister aufzuweisen. Aber Habeck sieht sich nicht als Gernegroß aus der Provinz: „Ich habe eine Herausforderer-Chance.“

Unabhängig vom Ausgang sei die Urwahl der rund 61.000 Parteimitglieder „für uns alle die Chance, uns freizumachen von taktischen Flügel- oder Lagerüberlegungen“, sagt er. Die Mitgliederbefragung zwinge die Grünen zu einer notwendigen Debatte über grundsätzliche Fragen: „Wollen wir eigenständig sein? Wollen wir mehrheitsfähig sein? Worum geht es uns eigentlich in der Politik? Und wofür werden wir gebraucht?“

Sollte Habeck am 18. Januar unterliegen, kommt es darauf an, wie hoch. Fünf Prozent wären eine Blamage, 35 Prozent ein achtbares Ergebnis, das Habeck weder in der Bundespartei noch in der schleswig-holsteinischen Landespolitik ernsthaft schwächen würde.

Ihm ist zuzutrauen, sein Selbst in der Bundespolitik nicht zu verlieren. Und sollte er doch in Schleswig-Holstein bleiben, ist es ihm angesichts der strukturellen und personellen Schwäche von SPD und CDU zuzutrauen, in fünf Jahren doch noch Regierungschef im Land zu werden.

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