Ein Lob der weiblichen Vielfalt

Biathlon Beim Weltcup in Oberhof können sich die DSV-Männer beweisen. Doch auch bei den Frauen gibt es Jahre nach Magdalena Neuner einen neuen Star am Firmament: Laura Dahlmeier

Eine gefährliche Frau: Laura Dahlmeier am Schießstand Foto: dpa

aus Oberhof Andreas Morbach

Sein Fernrohr hatte Mark Kirchner längst weggepackt, nun blickte der Biathlon-Bundestrainer der Männer nur noch gebannt auf die große Videoleinwand in der Rennsteig-Arena. Gemeinsam mit den rund 18.000 Zuschauern wurde der dreimalige Olympiasieger am Schlusstag des Oberhofer Weltcups Augenzeuge eines seltenen Ereignisses: Martin Fourcade, der seit fünf Jahren amtierende Skijäger-König, war beim Finale des Massenstarts mal nicht allein auf weiter Flur. Am Ende der 15 Kilometer machten gleich zwei aus Kirchners Mannschaft dem Franzosen Beine – und zwar bis zum Schluss. Kurz vor der Ziellinie riss Simon Schempp in Siegerpose die Arme empor, direkt hinter ihm schlitterte Teamkollege Erik Lesser mit letzter Kraft über den Strich. Coach Kirchner machte vor Freude einen Luftsprung.

Nach schneller Analyse des Zielfotos stand der deutsche Doppelsieg fest, Lesser hatte den gestrauchelten Giganten Fourcade um Haaresbreite geschlagen. „Endlich hat sich das Krafttraining mal ausgezahlt. Zwischendurch hätte ich aber nie gedacht, dass Platz zwei herausspringt“, schnaufte der 28-jährige Thüringer und sagte: „Unfassbar, wie die beiden abgegangen sind.“

„Ich dachte mir: Bleib’ sofort dran“, berichtete Schempp später von seiner rasch entworfenen Taktik, inklusive erfolgreichem Ende: „Am Schluss konnte ich in seinem Windschatten laufen. Dadurch hatte ich am Ende die nötigen Energiereserven – das war der ausschlaggebende Grund.“

Für die deutschen Männer war es bislang das Highlight des Winters – denn für DSV-Siege sorgte in dieser Saison zuvor nur eine: Laura Dahlmeier, die am Sonntagnachmittag beim Massenstart der Frauen (Zieleinlauf nach Redaktionsschluss) in die Spur ging. Den Sprint und die Verfolgung an den vorangegangenen Tagen ließ die 23-Jährige aus – weil sie mit Blick auf die WM im Februar mit den Kräften haushalten wollte. Denn die Konkurrenz bei den Skijägerinnen ist kein Zuckerschlecken. Zwar gewann Dahlmeier im Dezember den Klassiker in Östersund sowie in Pokljuka Sprint und Verfolgung, führte zum Jahreswechsel im Gesamtklassement. Doch die Duelle mit den erfahrenen Branchengrößen Gabriela Koukalova, Kaisa Mäkäräinen oder Marie Dorin-Habert forderten ihren Tribut.

„Die ersten drei Weltcups waren für Laura extrem kräftezehrend. Zudem haben wir in der Vergangenheit gelernt, dass sie über den Saisonverlauf gesehen einfach ein paar zusätzliche Pausen braucht, um bis zum letzten Weltcuprennen Höchstleistungen bringen zu können“, begründete Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig die beiden Aussetzer der Garmischerin in Oberhof. Die Poleposition war sie durch ihre Absenz am Freitag und Samstag losgeworden, das Gelbe Trikot beim Massenstartrennen trug Koukalova.

Im Gegensatz zu den Männern, bei denen Monsieur Fourcade mit einem – trotz des kleinen Rückschlags beim Oberhof-Finale – weiterhin monumentalen Vorsprung drauf und dran ist, zum sechsten Mal in Folge die Gesamtwertung zu gewinnen, ist die weibliche Konkurrenz extrem spannend. Am Thüringer Biathlon-Wochenende baute Fourcade seine Führung vor dem zweitplatzierten Russen Anton Schipulin sogar noch aus, auf nun sagenhafte 231 Punkte. Das Kontrastprogramm dazu bieten die furiosen Frauen: Vor dem Massenstart trennten die Weltcup-Beste Koukalova und die Französin Dorin-Habert auf Rang vier gerade mal 20 Punkte.

Die Konkurrenz bei den Skijägerinnen ist kein Zuckerschlecken. Die Duelle mit den Branchengrößen forderten für die zwischenzeitlich führende Laura Dahlmeier bereits ihren Tribut

Auch im erweiterten Feld der Weltelite herrscht bei den Sportlerinnen mit Ski und Gewehr mehr Vielfalt als bei den männlichen Kollegen: Die obersten neun Positionen bei den Männern besetzen vier Nationen, bei den Frauen sind es sieben. Und der Abwechslungsreichtum hat längst Tradition: Während Martin Fourcade seit 2012 Gesamtsieg an Gesamtsieg reihte, sind bei den Biathletinnen Thronwechsel die Regel.

In den vergangenen fünf Wintern triumphierten hintereinander die Deutsche Magdalena Neuner, Tora Berger aus Norwegen, die Finnin Mäkäräinen, Darja Domratschewa aus Weißrussland und Koukalova. Mit Dahlmeier könnte sich der ständige Wechsel jetzt weiter fortsetzen.

Ein Hin und Her, das der Vorjahressiegerin in Oberhof mächtig aufs Gemüt geschlagen hat. „Ich konnte die letzten beiden Nächte nicht schlafen“, berichtete die stets perfekt geschminkte Koukalova nach ihrem zweiten Platz in der Verfolgung. „Ich weiß auch nicht warum.“ Gut möglich, dass ihr das aufreibende Tagesgeschäft bei den Skijägerinnen die Nächte raubt.