LeserInnenbriefe
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Dolle Show!

betr.: „SPD für starken Staat“, „ ‚Dumm’, ‚bescheuert‘ und ‚­perfide‘ “ taz vom 4. 1. 17

Gratulation an Union und AfD. Wir werden einen Wahlkampf rein über die innere Sicherheit bekommen. Freilich nicht über die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, mafiosen Familienclans oder Rockerklubs, die das Nachtleben der Großstädte beherrschen, über die massive Steuerkriminalität der Vermögenden oder die bisher sehr uneffektive Bekämpfung des Terrorismus, egal ob von rechts oder islamistisch motiviert. Nein, es wird um „Nafris“ gehen, um „Obergrenzen“ und Grenzkontrollen innerhalb der EU, da ja das Land vor den Flüchtlingen ach so sicher war und Mafia und Terroristen, wie damals die RAF, vor Grenzöffnung keine Möglichkeiten hatten, grenzübergreifend zu agieren. Statt dass es um soziale Gerechtigkeit oder faire Steuern für Großkonzerne und die eher großzügige Haltung der Union zugunsten der Vermögenden und Großkonzerne wie Apple geht, darf die Union Nebenthemen mithilfe der Medien zu Hauptthemen erklären, und Wahlen werden mal wieder mit Angstmache gewonnen und damit, ob der Wutbürger noch „Negerkuss“ und „Zigeunerschnitzel“ sagen darf! Dolle Show! MARKUS MEISTER, Kassel

Keine Diskriminierung

betr.: „Im Zweifel für die Würde“, taz vom 3. 1. 17

Dass in dem Artikel mit keinem Wort auf den Hintergrund des dunkelhäutigen der sogenannten Heiligen Drei Könige eingegangen wird, macht ihn für mich zu ideologischer Propaganda – und sei die Absicht noch so edel. Als jemand, der jahrelang in Afrika gearbeitet hat, liegt mir Rassismus fern, gerade in diese Richtung.

Wer sich durch Werke der Kunst mit der Darstellung eines dunkelhäutigen „Königs“ oder durch schwarz geschminkte Kinder in der Rolle eines der „Könige“ (korrekt: Magier) beleidigt oder was auch immer fühlt, hat ein Bildungsdefizit: Seit dem 12. Jahrhundert findet die noch viel ältere Legende ihren bildlichen Ausdruck, um zu veranschaulichen, dass mit dem „Gotteskind“ Jesus, zu dem die Magier ziehen, der Retter/Erlöser der ganzen (damals bekannten) Welt erschienen ist. Wie die Königin von Saba ist auch der Repräsentant Afrikas an der Krippe in der Kunstgeschichte ausnahmslos als Vornehmer, Edler oder eben als König dargestellt. Von Rassismus oder Diskriminierung nicht die leiseste Spur. Diese Tradition halten die Sternensinger mit ihrer Solidaritätsaktion seit Jahrzehnten wach und sorgen so für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, wo so viele „Erwachsene“ versagen. Und wo immer es möglich ist – und es ist ja Gott sei Dank immer öfter möglich –, nehmen die Sternensingerteams ganz selbstverständlich solche Kinder mit, die erst gar nicht geschminkt werden müssen, um stolz den afrikanischen Kontinent zu repräsentieren. BERNHARD RIEDL, Brilon

Nicht hilfreich

betr.: „Im Zweifel für die Würde“, taz vom 3. 1. 17

Ein zentraler Satz in dem Artikel lautet: „Maßstab für Rassismus ist das Empfinden der Betroffenen, nicht das der Handelnden.“ Diese These halte ich für falsch und für ein zentrales Problem des Gutmenschentums.

Das Problem zeigt sich bereits in der Schwäche des Bildes, in dem jemand einem anderen auf den Fuß tritt. Es gibt durchaus Situationen, wo ich bereit bin, selbst wiederholte Tritte auf meinen Fuß hinzunehmen, da sie nicht mit Absicht geschehen (etwa in der vollen Straßenbahn). Es kommt auch bei einem Tritt darauf an, welche Absicht der Treter verfolgt.

Bei konsequenter Anwendung des Prinzips, dass nicht der Handelnde seine Akte mit Bedeutung versieht, sondern der Empfänger, ist letzten Endes keinerlei Handlung mehr möglich. Für jede Geste und für jeden Laut lässt sich wohl irgendeine Kultur auf der Erde finden, in der sie unangemessen sind.

Kommunikation funktioniert so nicht. Natürlich gibt es Missverständnisse, und natürlich sollte sich ein verantwortungsbewusster Protagonist Gedanken darüber machen, ob und wie er missverstanden werden kann (Politiker sind Experten für dieses Thema), aber das Publikum zum Maßstab der eigenen Ausdrucksformen zu machen ist für normale Menschen keinesfalls zumutbar und auch nicht wünschenswert. Die Aufforderung, solches zu tun, hilft der Sache nicht und liefert der Gegenseite nur Argumente, die ausnahmsweise sogar stichhaltig sind.

ERIC BRÜNNER, Karlsruhe

Ein weißer Melchior geht nicht

betr.: „Im Zweifel für die Würde“, taz vom 3. 1. 17

Keine Frage, in einer sich wandelnden Zeit muss man gelegentlich sein eigenes Verhalten überprüfen. Immerhin war vor 40 Jahren das Wort „Neger“ nicht negativ besetzt, sondern das Wort für Schwarze.

Aber König Melchior war ein schwarzer König, gleichberechtigt mit den anderen beiden Königen. Er muss einfach schwarz sein, anders als der Zwarte Piet bei den Holländern, der nur Gehilfe ist. Wenn in den katholischen Dörfern Melchior nicht mehr als Schwarzer auftreten darf, finde ich das diskriminierend. Die Schwarzen haben keinen König mehr, sind wieder nur mit negativen Rollen besetzt. Ich vordere hiermit alle schwarzen, katholischen Christenkinder auf, sich als Melchior zur Verfügung zu stellen. Es muss doch eine Ehre sein, einen König darzustellen. Falls dies nicht möglich ist, soll sich, bei Gott, ein weißes Kind schwarz anmalen. Denn ein weißer Melchior geht gar nicht.

CHRISTOPH KROLZIG, Öhningen