Zweidrittel-Privatisierung oder Konkurs

Aktionstag gegen Sozialabbau in Frankreich: Eine Million Franzosen wollen gegen die sinkende Kaufkraft und Privatisierung demonstrieren. Genau das schwebt Regierungschef Dominique de Villepin aber für die Fährgesellschaft nach Korsika vor

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Nichts regte sich in Frankreichs größtem Hafen, als gestern zwei Minister der Pariser Regierung in Marseille anreisten. 70 Schiffe lagen ungelöscht am Kai und vor der Hafeneinfahrt. Zur Begrüßung skandierten streikende Seefahrer ein Wort: „Rücktritt“.

Die Minister für Wirtschaft, Thierry Breton, und Verkehr, Dominique Perben, wollten Verhandlungen über die Zukunft der staatlichen Fährgesellschaft SNCM eröffnen, die seit einem Vierteljahrhundert zwischen dem französischen Festland und Korsika pendelt und hoch verschuldet ist. Doch schon vor der Ankunft hatten sie ihre Bedingung festgelegt: entweder Zweidrittelprivatisierung oder Konkurs. Die Regierung will jetzt, dass der Staat 25 Prozent des Unternehmens SNCM behält, dass die Beschäftigten 5 Prozent bekommen und dass der Rest unter dem franco-amerikanischen Investmentfonds Butler Capital Partners und der auf privatisierte Transportmittel spezialisierten Connes geht. Letztere ist eine Filiale von Vivendi, die europaweit auch in das privatisierte Eisenbahngeschäft einsteigt.

Die Gewerkschaften betrachten das als Diktat. Seit die Regierung vor einer Woche verkündet hat, dass sie die Fährgesellschaft privatisieren will, bestreiken sie den Hafen von Marseille und die gegenüberliegende Mittelmeerinsel Korsika. Auf Korsika machen sie seit Sonntag eine Pause im Streik, um Touristen die Abreise und der Insel Warennachschub zu erlauben. Doch heute ist in Frankreich nationaler Aktionstag gegen Sozialabbau und Privatisierungen, mit neuen Streikplänen auch für Korsika.

„Bislang gibt es keine Belege dafür, dass private Betreiber die SNCM besser bewirtschaften könnten als der Staat“, sagte Bernard Thibault, Chef der größten Gewerkschaft der Seefahrer CGT. Die CGT will, dass die Fährgesellschaft SNCM zumindest zu 51 Prozent staatlich bleibt. Anders könnten weder die Mission als „öffentlicher Dienst“, der auch kleine Häfen bedient, noch die Sicherheitsstandards beibehalten werden. Auch die zweite Gewerkschaft ist gegen die Privatisierung der Fährgesellschaft. Allerdings mit anderen Zielen. Die kleine – aber auf Korsika starke – nationalistische Gewerkschaft STC, will, dass die nationale französische Linie in korsischen Besitz übergeht. STC-Chef Alain Mosconi verlangt jetzt die „Korsifizierung“ des Unternehmens.

Im vergangenen Jahr ging die Regierung auf die Forderung der nationalistischen STC ein. Bei der großen CGT befürchten daher manche, dass die nationalistische Konkurrenz auch dieses Mal wieder Gehör finden könnte.

Vor einer Woche hatte die Pariser Regierung angekündigt, sie werde die SNCM komplett privatisieren. Die franco-amerikanische Investmentgesellschaft Butler Capital Partners, die von einem Bekannten und Berater von Regierungschef Dominique de Villepin geleitet wird, sollte das Unternehmen, dessen Fährpark 450 Millionen Euro wert ist, zum Preis von 35 Millionen bekommen. Als Abschiedsgeschenk wollte die Regierung 113 Millionen Euro in das Unternehmen spritzen und die Entlassung von 400 der 2.400 Beschäftigten der SNCM bewilligen.

Der Arbeitskampf, bei dem unter anderem ein Fährschiff aus Marseille in Richtung Korsika entführt wurde, hat dem heutigen Aktionstag zusätzliche Argumente geliefert. Für Regierungschef Villepin ist es eine Härteprobe. Die Gewerkschaften erwarten eine Million Teilnehmer zu Demonstrationen und Streiks. Themen sind Privatisierungen, die sinkende Kaufkraft und die neuen Arbeitsverträge, die im Sommer per Dekret eingeführt wurden. Sie machen die „Probezeit“ zu einem zweijährigen Dauerzustand.