1 Milliarde für die Hoffnung

Nachwuchs Der Bund finanziert 1.000 neue Juniorprofessuren. Genug, um das Prekariat des Nachwuchses zu beenden? Das sagen die Betroffenen

Uni, quo vadis? 90 Prozent der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen an deutschen Hochschulen sind befristet angestellt Foto: Ekkehart Bussenius/laif

Nachwuchs: Das „Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ läuft von 2017 bis 2032. Der Bund stellt eine Milliarde Euro bereit, um 1.000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren zu schaffen. Das sind Juniorprofessuren, die im Falle einer positiven Evaluation verlässlich in Lebenszeitstellen umgewandelt werden. Damit umgehen junge AkademikerInnen die übliche Habilitation.

Kritik: Bisher haben die wenigsten Juniorprofessuren diese Aussichten auf eine Lebenszeitprofessur (Tenure Track). Außerdem sind sie in der Regel schlechter bezahlt und mit weniger Geldern ausgestattet als „richtige“ Professuren.

FHs und kleine Unis: Die Förderinitiative „Innovative Hochschule“ will den Ideen-, Wissens- und Technologietransfer stärken. Von 2017 bis 2027 stehen insgesamt 550 Millionen Euro zur Verfügung.

Exzellenz: Die neue „Exzellenzstrategie“ fördert ab 2019 Spitzenforschung an zunächst elf Hochschulen mit gut einer halben Milliarde Euro jährlich. Die Exzellenzstrategie ist die dritte Runde der 2006 gestarteten, bisher 4,6 Milliarden Euro teuren Exzellenzinitiative.

Kritik: Eine wenige, meist schon finanzstarke Hochschulen werden zusätzlich gefördert. Viele Hochschulen empfinden das Wettbewerbssystem als ungerecht. Das Geld sollte lieber in eine höhere Grundfinanzierung investiert werden. Zudem stellen die Hochschulen Mitarbeiter nur für die Dauer der Mittelzusage an. 90 Prozent der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen an deutschen Hochschulen sind befristet angestellt.

Bafög: Seit 2015 trägt der Bund die Kosten für die Unterstützung von Studierenden allein. Dadurch werden für die Länder 1,2 Milliarden Euro jährlich frei.

Kritik: Die Länder sind nicht verpflichtet, das zusätzliche Geld in die Hochschulen zu investieren.

Besser ganzes Uni-System umbauen

In welchem anderen Beruf gibt es eine sechsjährige Bewährungszeit nach bereits langjähriger erfolgreicher Tätigkeit? In welcher Branche werden hochqualifizierte Angestellte nach zahlreichen Bewährungsproben in zwei weiteren internen und externen Evaluationen begutachtet? Die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland ist schwieriger denn je. So sind heute 90 Prozent der WissenschaftlerInnen unterhalb einer Professur befristet angestellt. Verträge von mehr als zwei Jahren sind eine Seltenheit und 50 Prozent arbeiten – meist unfreiwillig – in Teilzeit mit einem Monatseinkommen von wenig mehr als 1.300 Euro.

Professur mit 41 Jahren

Den damit verbundenen unerhörten Druck verstärkt die Tatsache, dass nur etwa ein Drittel der WissenschaftlerInnen es nach Abschluss der Habilitation auf eine Professur schafft. Das trifft Frauen besonders hart, die oft die inakzeptable Wahl zwischen Karriere und Familie treffen müssen, da bei einem durchschnittlichen Berufungsalter von 41 Jahren die Familiengründung nun einmal nicht erst nach erfolgtem Ruf auf eine Professur möglich ist.

Unter diesen Umständen sind die angekündigten 1.000 Juniorprofessuren mit Tenure Track zwar zu begrüßen, denn eine frühzeitigere Zukunftsperspektive für den wissenschaftlichen Nachwuchs muss sein. Allerdings reichen sie bei Weitem nicht aus, um die Arbeitsbedingungen des Nachwuchses maßgeblich zu verbessern. Die Tenure-Track-Professur, wie sie derzeit in Deutschland praktiziert wird, ändert wenig an der weiterhin großen beruflichen Unsicherheit.

Mittelbau abschaffen!

Wir plädieren daher für eine überfällige Modernisierung des deutschen Wissenschaftssystems etwa nach dem französischen oder angelsächsischen Modell. Das impliziert freilich einen strukturellen Umbau: die Abschaffung des sogenannten Mittelbaus zugunsten eines Systems, in dem Professuren nicht die einzige Perspektive für NachwuchswissenschaftlerInnen darstellen, sondern diese die Möglichkeit hätten, sich unmittelbar nach der Promotion auf unbefristete Forschungs- und Lehrstellen zu bewerben (wie etwa lecturers in England).

So könnten wir unseren Studierenden guten Gewissens zur wissenschaftlichen Karriere raten. Denn erfolgreiche WissenschaftlerInnen hätten nicht erst mit Mitte 40 Planungssicherheit, und der wissenschaftliche Beruf bliebe attraktiv. Vor allem aber: Spitzenforschung in Deutschland hätte endlich eine solide und menschliche Grundlage.

Eva Bockenheimer ist in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit tätig und Habilitandin im Fach Philosophie an der Universität Siegen

Jeanne Féaux de la Croix ist Ethnologin an der Universität Tübingen

Barbara Geist ist Sprachwissenschaftlerin an der Universität Leipzig

Sidonie Kellerer ist Philosophin an der Universität Siegen. Im vergangenen Jahr lehnte sie Juniorprofessur ohne Tenure Track ab

Mehrkosten belasten Unibudgets

Mit dem Nachwuchsprogramm ist es wie in den letzten Jahren häufig in der Hochschulpolitik: Die Reaktion der Hochschulen kann nur ambivalent ausfallen.Die Habenseite ist bemerkenswert: eine zutreffende Problemanalyse (es fehlt den Hochschulen an Stellen und damit Karriereperspektiven für wissenschaftliche Nachwuchskräfte) und die Entscheidung für erhebliche Investitionen (eine Milliarde Euro). Die Universitäten erkennen ganz klar an, dass hier neben der Exzellenzstrategie und der Förderinitiative „Innovative Hochschule“ ein weiteres Paket für die Hochschulen geschnürt wurde.

Aber es gibt Fallstricke: Je nach Fach und Forschungsgegenstand braucht die Ausstattung einer Professur manchmal ein Mehrfaches der eigentlichen Stelle. Das ist mit dem Programmgeld bei angestrebten 1.000 Tenure-Track-Professuren nicht machbar. Die Universitäten werden so vor die Wahl gestellt: Schreiben sie eine Professur mit so schlechter Ausstattung aus, dass sie kaum substanzielle Forschungsleistungen wird erbringen können und für ambitionierte KandidatInnen aus dem In- und Ausland unattraktiv ist? Oder statten sie die Stelle auf Kosten ihres ohnehin überlasteten Haushalts vernünftig aus? Damit bedeutet auch die spektakuläre Summe von einer Milliarde Euro bei genauerem Hinsehen eine Unterfinanzierung. Es zeigt sich hier eine Paradoxie, die den Hochschulbereich inzwischen beherrscht: Zusätzliche Mittel sind gekoppelt an weitere Belastungen und Risiken für die Grundhaushalte.

Solche befristeten Projekte werfen zudem stets die Frage nach Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit auf. In diesem Fall heißt das, dass der personelle Aufwuchs dauerhaft gesichert werden muss. Hier stehen die Länder in der Pflicht, aber in ähnlichen Fällen hat es schon manche Enttäuschung gegeben. Die Hochschulen werden das Programm konstruktiv und kreativ nutzen und möglichst viel daraus machen. Aber für eine bedarfsgerechte Personalentwicklung brauchen sie langfristige Mittelzusagen und den Freiraum, etwa statt zusätzlicher Professuren andere wissenschaftliche Stellen zu schaffen, um mehr alternative Karriereaussichten neben der Professur zu bieten und Dauerfunktionen auch als Dauerstellen besetzen zu können.

Es führt kein Weg daran vorbei, die Politik muss sich dem alles überschattenden Problem der Grundausstattung stellen.

Horst Hippler ist Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Er hat den Verband Technischer Universitäten (TU9) und die Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg geführt

Stellen müssen gut ausgestattet werden

Das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses stellt einen wichtigen Impuls zur zukunftsgerichteten Weiterentwicklung von Karrierewegen in der Wissenschaft dar. Ich möchte im Namen der Deutschen Gesellschaft Junior­professur (DGJ) zwei Details des Programms positiv herausstellen.

Erstens wird darin explizit zur Bedingung gemacht, dass es sich bei den neuen Tenure-Track-Professuren um dauerhaft neu zu schaffende Stellen handelt. In den bisherigen Stellenplänen verankerte Professuren können folglich nicht einfach zur Gegenfinanzierung vakant gelassen werden. Es ist nun essenziell, dass die Länder diese Bedingung auch konsequent umsetzen, da ansonsten die aktuell bereits beschäftigten JuniorprofessorInnen eingeschränkte Zukunftsaussichten befürchten müssten.

Zweitens begrüßen wir ausdrücklich, dass auch Tenure-Track-Stellen mit der im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähigeren Einstiegsstufe W2 durch das Programm gefördert werden können. Wir hoffen, dass sich möglichst viele Universitäten mit ihren eingereichten Konzepten hierzu entschließen und so auch eine attraktive Perspektive für JuniorprofessorInnen schaffen, die bisher nicht von einem Tenure Track profitieren.

Bei den Universitäten liegt nun die Verantwortung einer ernsthaften Weiterentwicklung ihrer Personalstrukturen im Sinne der NachwuchswissenschaftlerInnen. Wir hoffen, dass die Auswahlkommission entsprechend attraktive und nachhaltige Konzepte honoriert. Für uns ist dabei besonders wichtig, dass die Tenure-Track-Professuren mit den anderen Professuren gleichgestellt sind. Es sollten keine Einschränkungen der Teilhabe an der akademischen Selbstverwaltung und des Zugangs zur leistungsorientierten Mittelvergabe bestehen. Ebenso wenig sollte es Unterschiede bezüglich Ausstattung, Verfügbarkeit von Ressourcen und der Möglichkeit von Bleibeverhandlungen im Falle von externen Rufen geben.

Trotz allen Lobs: Das BMBF-Programm ist nur ein erster Schritt in die richtige Richtung, da sich allein mit den geförderten 1.000 Tenure-Track-Professuren keine flächendeckende und nachhaltige Wirkung erzielen lässt. Dafür braucht es zusätzliche Bemühungen von Universitäten, Bund und Ländern.

Jens Pöppelbuß ist Juniorprofessor für industrienahe Dienstleistungen an der Universität Bremen sowie Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur e. V. (DGJ)