Die meisten Opfer sind Muslime

Türkei „Islamischer Staat“ bekennt sich zum Anschlag auf den Istanbuler Club Reina. Acht Festnahmen, der Täter ist aber noch auf der Flucht. Religionsbehörde in der Kritik

Küstenwache auf dem Bosporus vor dem Nachtclub Reina Foto: Umit Bektas/reuters

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Der Hintergrund des Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina in der Silvesternacht scheint aufgeklärt. Am Montagmittag bestätigte der „Islamische Staat“, was sowohl die Polizei als auch politische Beobachter längst vermutet hatten: Ein sogenannter „Soldat“ der Terrororganisation habe den Anschlag verübt.

Der IS erklärte auf seiner Website „Amak“: „In Fortsetzung der gesegneten Operationen des Islamischen Staates gegen die Beschützerin des Kreuzes, die Türkei, hat einer der heldenhaften Soldaten des Kalifats gegen den berühmten Nachtclub zugeschlagen, wo die Nazarener (Christen) ihr polytheistisches Fest feiern. Er hat sie mit Handgranaten und seiner automatischen Waffe angegriffen und ihre Feier in Trauer verwandelt.“

Damit bestätigt der IS die Angaben der türkischen Behörden, es habe sich um einen und nicht um zwei oder noch mehr Täter gehandelt. Allerdings wurde bei dem Attentat keine Handgranate eingesetzt. Trotz laufender Großfahndung ist dieser Täter nach wie vor nicht gefasst. Die Tageszeitung Hürriyet berichtete gestern unter Berufung auf türkische Geheimdienstquellen, bei dem Attentäter soll es sich entweder um einen Kirgisen oder Usbeken handeln. Der Täter hätte vor seiner Flucht aus dem Reina eine Waffe zurückgelassen, wodurch Fingerabdrücke festgestellt werden konnten. Die Information, ob deshalb der Namen des Killers bekannt ist, hält die Polizei noch zurück. Die Nachrichtenagentur DHA meldete die Festnahme von acht Personen im Zusammenhang mit dem Anschlag.

Von den 39 Opfern des Anschlags waren insgesamt 27 Ausländer. Die meisten der Opfer waren auch keine Christen, sondern Muslime.

Zwei der Opfer kamen aus Deutschland, und zwar aus Landsberg am Lech in Oberbayern. Einer von ihnen soll eine deutsche und türkische Staatsbürgerschaft besitzen, der andere lebte als Türke in Deutschland. Die meisten ausländischen Opfer waren allerdings aus arabischen Staaten und wollten offenbar den Jahreswechsel in der Türkei feiern.

In Freitagspredigten waren Silvesterfeiern als „unislamisch“ und „unmoralisch“ verurteilt worden

In der Türkei ist unterdessen die staatliche Religionsbehörde Diyanet in die Kritik geraten, weil sie seit Wochen Stimmung gegen Silvesterfeiern gemacht hatte. In den Freitagspredigten der letzten Wochen waren Feiern zum Jahreswechsel als „unislamisch“ und „unmoralisch“ verurteilt worden. Kritiker aus der Oppositionspartei CHP hatten der Religionsbehörde deshalb vorgeworfen, erst das Klima erzeugt zu haben, in dem der Anschlag auf den Nachtclub Reina dann passieren konnte. Der Chef der Religionsbehörde, Mehmet Görmez, hatte sich am Neujahrstag beeilt, den Anschlag zu verurteilen, um dem Eindruck vorzubeugen, er hätte womöglich Angriffe auf Silvesterfeiern gutgeheißen.

Trotzdem bleibt bei vielen säkularen Türken das Gefühl, dass ihre islamische Regierung den Angriff auf das Reina weit weniger tragisch findet, als wenn beispielsweise gläubige Muslime angegriffen worden wären. Auch die Sicherheitsvorkehrungen werden kritisiert. So habe vor dem Reina lediglich ein 21-jähriger unerfahrener Polizist Dienst getan, obwohl ansonsten in der Stadt 17.000 Beamte im Einsatz gewesen sein sollen.

Als Reaktion auf den Terroranschlag und das Bekenntnis des IS hat die türkische Luftwaffe am Montag ihre Angriffe auf den IS in Nordsyrien intensiviert. Mit der Türkei verbündete syrische Milizen versuchen seit Wochen mit Unterstützung türkischer Spezialeinheiten die vom IS kontrollierte Stadt al-Bab zu erobern. Bislang allerdings ohne Erfolg.