LESERINNENBRIEFE
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Verschwendete Steuergelder

■ betr.: „Kränkende Schönfärberei“, taz vom 29. 11. 12

Dass sich in der Sozialpolitik etwas ändern muss, ist unumstritten. Die Frage, die sich stellt, ist, wie die betroffenen Arbeitslosengeld-II-Bezieher in der Übergangszeit behandelt werden. Dort sehe ich im Verhalten vieler Politiker, die den Sozialstaat selbst seit Jahrzehnten, wie er heute ist, befürwortet haben, keinen Ansatz, eine menschenwürdige Übergangslösung zu schaffen. Unsere europäischen Nachbarn haben immer geklagt, dass Deutschland zu hohe Löhne und Lohnnebenkosten habe und sie dadurch nicht konkurrenzfähig seien. Fast alle EU Staaten zahlen allem zum Trotz Mindestlöhne. Hierzulande wurden daraufhin die Gesetze so verändert, dass es Unternehmen heute ermöglicht, ausufernde Dumpinglöhne zu zahlen. Die werden von den Steuerzahlern wieder aufgestockt. Was für eine Verschwendung von Steuergeldern. Viele Unternehmen haben sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze abgebaut, um daraus Profit zu schlagen. Minijobs wachsen wie Pilze aus dem Boden. Mindestens eine Generation junger Menschen mit abgeschlossenem Studium haben jahrelang ein Praktikantendasein gefristet.

Es muss endlich eine Übergangslösung gefunden werden, damit auch diese Menschen in Würde leben können. Ein neues Bildungssystem bei den zukünftigen Generationen muss endlich umgesetzt werden. CARMEN EBERSPÄCHER, Bremerhaven

Dehnung!

■ betr.: „Kränkende Schönfärberei“, taz vom 29. 11. 12

Interessant an der Seite 14 Gesellschaft und Kultur der Ausgabe vom 29. 11. 2012 ist, dass neben dem Artikel über den Armutsbericht auch die offensichtlich unbeholfene Werbe-Verarsche der Commerzbank erscheint sowie ein ebenso kongeniales Zitat der Bundeskanzlerin.Vielleicht wird hier ein Spiel gespielt. Das Spiel nennt sich: Dehnung!

Wie strapazierfähig ist die Contenance der Masse. Fortlaufende Erkenntnis: sehr.

ALFONS KRAMER, Berlin

Unfair

■ betr.: „Noch zehn Sekunden länger leben können“, taz v. 24. 11. 12

Wenn ein Herr Reemtsma Unternehmensvermögen erbt und dieses Geld ehrenwerterweise dafür verwendet, eine politische Stiftung zu gründen, Arbeitsplätze zu schaffen oder sich anderweitig gemeinwohlorientiert zu engagieren, dann hat das eine hohe soziale Relevanz. Nichts zur Sache tut es hingegen, ob ein Herr Feddersen etwas geerbt hat oder nicht. Mich hat dieses kleine, unjournalistische und vor allem unfaire Nachtreten am Ende des informativen Gesprächs sehr gestört. JOHANNES BOLWIN, Mainz

Wer, wenn nicht Europa?

■ betr.: „Europa kann es nicht“, taz vom 28. 11. 12

Dieser Fatalismus, diese Einsicht zwingt sich uns allen auf, angesichts der streichholzhaften Hilfskonstruktionen der europäischen Regierungsvertreter zur Rettung Griechenlands. Aber unterscheiden wir doch zwischen der Unfähigkeit, auch Unwilligkeit der nationalen europäischen Regierungen und dem Projekt Europa. Dieses Projekt muss sehr bald demokratisch legitimiert und finanziell selbständig werden – oder Europa wird nicht sein. Wer, wenn nicht Europa, kann die Finanzkrise als Ausdruck der weltweiten sozialen Verwerfungen lösen? Sicherlich nicht China, das das atlantische Wirtschaften kopiert, ohne es weiterzuentwickeln. Dieses Wirtschaften bedeutet Wachstum. Wachstum ist ohne zusätzlichen Energieinput nicht zu bewerkstelligen. Dabei sind die CO2-Emissionen zur Aufrechterhaltung unseres Wirtschaftens seit 1990 um 40 Prozent gestiegen – Tendenz dynamisch zunehmend – wie der Meeresspiegel. Spätestens 2007 hat der Wirtschaftswissenschaftler Sir Nicholas Stern in seinem Report nachgewiesen, die zu befürchtenden Umweltschäden überstiegen die Kosten der Energiewende mindestens um den Faktor 10. Beim Aufrufen des Begriffs Wachstum bekomme ich Gänsehaut, zunehmend. Wir, die Leser und die tageszeitung sollten diesen Begriff fokussieren. Der Klimawandel kann und muss vermieden werden. Die dazu skizzierte Große Transformation (WBGU) setzt sich aus vielen gleichwertigen, unverzichtbaren Projekten zusammen: der Energiewende mit der Umstellung von fossiler auf erneuerbare Energien; der Urbanisierung mit Gebäudesanierung; dem Verkehrswesen; der nachhaltigen Landnutzung; Wasser; Artenvielfalt etc. Einzig die Energiewende verspricht wirtschaftliche Vorteile zu generieren. Hier scheint grünes Wachstum, in der etablierten Bedeutung des Wortes Wachstum, noch einmal möglich. Erneuerbare Energien werden nachweislich preiswerter als Energien aus fossilen Rohstoffen und sind es zum Teil schon heute in Deutschland. Dieses aus der Energiewende generierte Kapital muss für die anderen Projekte der Großen Transformation eingesetzt werden, darf nicht in ungerechte Hände fallen. Wer, wenn nicht Europa, kann die Vorstellung von Gerechtigkeit entwickeln? Dafür braucht es Europa.

KLAUS WARZECHA, Wiesbaden