LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Reichtum versickert

betr.: „Zehntausende gegen Rajoys Sparpolitik“,taz vom 19. 12. 16

Das ist Europa-Ökonomie: Auf der einen Seite wehren sich Südeuropas Bürger gegen die Sparpolitik ihrer Regierungen. Auf der anderen Seite bietet eine Lidl-Tochter (Kaufland) in bundesweiten Anzeigen die Kiste Mandarinen für 1,99 Euro an. Das ist nur möglich unter Arbeitsbedingungen auf den Farmen und vorm Lenkrad, die mit prekär nur verniedlichend beschrieben werden. Gleichzeitig wird kostbares spanisches Wasser verbraucht. Vor der Euro-Einführung wurden Lira, Peso, Drachme, Escudo & Co immer entsprechend abgewertet, damit in diesen Ländern die teuren Industrieprodukte Mitteleuropas erworben werden konnten.

Heute werden die Rohstoffe billiger, solange sie noch ausreichend zur Deckung beitragen können. Ansonsten fallen diese „Wirtschaftspartner“ als Kunden aus. Arbeitslosigkeit beginnt an den Rändern, obwohl noch nie so viel produziert wurde wie heute. Reichtum, der im falschen System versickert!

DIETMAR RAUTER, Kronshagen

Richtige Argumentation

betr.: „Sammelabschiebung nach Afghanistan. Das bisschen Krieg macht nichts“, taz vom 15. 12. 16

Ich möchte die völlig richtige Argumentation mit zwei weiteren Argumenten aus dem letzten halben Jahr ergänzen:

28. 9.: Bei einem US-Drohnenangriff auf ein Wohnhaus in der Provinz Nangarhar werden mindestens 15 Zivilisten getötet.

3. 11.: Bei einem Nato-Luftangriff in der Nähe von Kundus werden mindestens 30 Zivilisten getötet. Die Bundeswehr soll an der „Zielerfassung“ beteiligt gewesen sein.

Über beide Vorfälle gab es fast keine Berichterstattung in den deutschen Medien.

VOLKMAR DANTZER, Bremerhaven

CDU-Vergangenheit

betr.: „Berliner Senat. Holm bekommt Gnadenfrist“,taz vom 19. 12. 16

Es ist doch zutreffend, dass man, angefangen bei Adenauer und weiter in der von seiner Partei nach wie vor maßgeblich dominierten Republik, nie irgendwelche Probleme mit Nazis in höchsten Staatsämtern der BRD hatte. Globke und Gehlen seien da als ganz schlimme Finger zuerst genannt. Dann haben wir auch noch Carstens, Kiesinger, Filbinger als weitere Prominente, aber natürlich noch viele, viele mehr, und zwar in nahezu unvorstellbar großer Zahl, was inzwischen auch kein Geheimnis mehr ist.

Willi Brandt dagegen, der nachweislich kein Nazi war, durfte ungestraft „Vaterlandsverräter“ genannt werden.

HARTMUT WOHLER, Berlin

Sympathisch: Fehler korrigiert

betr.: „Bürokratie statt Gerechtigkeit“, Kommentar von Wolfgang Gast, taz vom 16. 12. 16

Ich hatte unangenehm mit der Stasi zu tun zu DDR-Zeiten – als Umweltaktivist und Wehrdiensttotalverweigerer. Und hätte damals kaum Verständnis gehabt für jemanden, der bei „der Firma“ mitmacht. Aber: Ich bin lernfähig. Das heißt, dass ich jemanden, der als Jugendlicher einen Fehler gemacht, diesen korrigiert hat und jetzt den Finger an der richtigen Stelle in die Wunde legt, sympathischer finde, als manche sich selbst beweihräuchernde ehemalige Bürgerrechtler, die suggerieren, dass Ankunft im Westen das einzige, nun erreichte, Ziel sei. Von der CDU ganz zu schweigen.

Für die Mieterstadt Berlin muss André Holm Staatssekretär bleiben! MARKUS STROBL, Berlin

Geben wir ihm eine Chance

betr.: „Liebeserklärung. Andrej Holm“, taz vom 17. 12. 16

Andrej Holm. Immer, wenn ich seinen Namen in der Zeitung lese, denke ich an meine Zeit als Student an der Humboldt-Universität zurück: Seit 1994 Stadtsoziologie bei Hartmut Häußermann, erste Hausarbeit: „Die Häuser denen, die drin wohnen“ oder: „Wir bleiben alle! (WBA)“. Wir haben viel und frei diskutiert, niemals wäre ich auf die Idee gekommen, deswegen mit der Staatsmacht in Konflikt zu geraten. Mir ist es auch nicht passiert, Andrej schon! Ich war entsetzt und fassungslos, als ich vor fast zehn Jahren von den Vorwürfen und seiner Verhaftung wegen Terrorismusverdacht gelesen habe. Wegen Verwendung eines einzigen falschen Wortes: Gentrifizierung! Und das in der Bundesrepublik Deutschland, einem Rechtsstaat!

Bei der jetzigen Diskussion um seine Eignung als Staatssekretär trotz seiner Stasi-Vergangenheit in jungen Jahren, frage ich mich: Welche Positionen haben heute eigentlich die, die damals gegen ihn ermittelt, ihn denunziert, verfolgt, verhaftet und angeklagt haben? Ich vermute mal, dass das „Recht auf Irrtum“ – auch wenn man mit fälschlichen Beschuldigungen einen Menschen kaputt machen kann – von diesen Amtsträgern ganz selbstverständlich in Anspruch genommen wurde und dieser „Irrtum“ ihrer Karriere nicht geschadet hat. Oder gab es irgendwelche personellen Konsequenzen, als sich diese peinliche Anklage in Luft aufgelöst hat? Ich habe nie davon gehört!

Andrej hat durch seine unermüdliche Arbeit und sein Engagement bewiesen, dass er auch als Staatssekretär geeignet ist, die Interessen der Menschen in dieser Stadt zu vertreten. Geben wir ihm diese Chance, schauen wir nach vorn!

MATTHIAS BACKES, Berlin