Berliner Szenen: Mucosolvan-PlüschBazille
Grippewelle
Es geht gerade was rum. Bei meiner Apotheke öffnen sich die Türen zum Glück automatisch, sodass ich mich nicht am Griff infiziere. Wie halten die Apotheker das aus, den ganzen Tag von Kranken umlagert zu sein, das muss schlimmer sein als im Kindergarten. Als Werbegeschenk gab es eine Plüschbazille von Mucosolvan.
Wir sind jetzt seit sechs Wochen krank, auf den Reizhusten legte sich eine schlimme Erkältung und dann kam der Magen-Darm-Infekt. Unser Kleiner saß nachts im vollgespuckten Bett, den Pittiplatsch im Arm, und weinte. Nachdem ich Pitti gewaschen habe, ging die Stimme in seinem Bauch nicht mehr („Ach du meine Nase, haha, platschquatsch“).
Das Einzige, was mich aufheitert, ist zuzusehen, wie beflissen sich die ACC-Brausetablette im Wasserglas auflöst, und es schmeckt ja auch ein bisschen wie Brause. Hat Medizin früher nicht immer bitter geschmeckt? Als ich ein Kind war, musste man sie noch auf Zuckerwürfel träufeln, um sie überhaupt runterzubekommen. Meine Freundin dachte, das Glas mit der gelben Neo-Chinosol-Flüssigkeit zum Gurgeln, das neben dem Waschbecken steht, enthalte meinen Urin. Ich habe bemerkt, dass man im Liegen viel ausdauernder gurgeln kann.
Meine Freundin tröpfelt dem Baby Muttermilch in die Nase, das wirkt antibakteriell, sollte sie das bei mir auch einmal versuchen? Ich bemühe mich um Harmonie mit ihr, weil eine glückliche Beziehung das Immunsystem stärken soll. Nachts krabbeln Ameisen durch meine Bronchien und kitzeln mich mit ihren behaarten Beinchen, ich habe schon eine Flasche Silomat geleert. Aber solange ich noch die Kraft habe, den Sicherheitsverschluss einer Flasche Wick-Medinait zu öffnen, gibt es keinen Grund zu klagen. Wenigstens kann das Mucosolvan-Stofftier nicht sprechen.
Jochen Schmidt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen