Wie in alten Zeiten

Der VfL Bochum besiegt den TSV 1860 München mit 1:0 und kurz vor Schluss. Das sichert die Zweitligatabellenspitze und bringt die Mannschaft schon jetzt dem direkten Wiederaufstieg näher

Im Bochumer Ruhrstadion hat sich schon wiederdie übliche Aufstiegsroutine eingestellt

AUS BOCHUMCHRISTOPH SCHURIAN

Es war einst ein ehemaliger Bochumer, nämlich Flügelstürmer Delron Buckley, der nach zwei Verletzungen das böse Wort von der Zweiten Bundesliga als „Schweineliga“ in die Welt setzte. Einige Jahre später, in der fünften Zweitligasaison des VfL Bochums, sind es die Fans des Revierclubs, die am Fußballunterhaus so zu leiden scheinen, dass sie einen verzweifelten Appell in den Abendhimmel recken: „Weckt uns auf aus diesem Albtraum“, steht auf einem bunten Transparent voller Polizeihelme und Pay-TV-Kameras. Immerhin scheinen die VfL-Profis ihre Anhänger zu erhören: Sie haben sich einem Fußball der Erlösung verschrieben.

Wie schon gegen Hansa Rostock und Dynamo Dresden wurde das Heimspiel gegen den TSV 1860 München am Montag mit einem Treffer in den letzten Minuten entschieden. Und mit Marcel Maltritz erlöste erneut ein Abwehrspieler Fußballbochum, der auch danach gerne in Hoffnung machte: Mit „Sieht so aus“ beantwortete er die Frage nach dem fünften direkten Wiederaufstieg des VfL, der nun mit zwei Punkten Vorsprung vor Energie Cottbus die Zweitliga-Tabelle anführt.

Es hat sich im Ruhrstadion also wieder die übliche Aufstiegsroutine eingestellt, was vor allem daran liegt, dass der Club nach einem Abstieg stets eine Mannschaft aufbietet, mit der er es auch in der Ersten Liga versucht hätte. Das finanzielle Risiko, das der Verein dabei auf sich nimmt, scheint sich wieder einmal auszuzahlen.

Routiniert fiel dann auch die Spielanalyse der Protagonisten aus – als stünde ein genauso großer Plan hinter den doch glücklichen Bochumer Lastminute-Siegen. Nein, es sei keine Absicht, mit dem Siegtor zu warten, sagte Marcel Koller. Aber so ganz wollte man dem Bochumer Trainer das nicht glauben: Solche Siege könne man sich nämlich „erarbeiten“, meinte der sonst so leise Schweizer und erinnerte erstmals ein wenig an seinen Vorgänger Peter Neururer. Die späten Entscheidungen seien eine Frage der „Überzeugung“: „In Bochum musst du eben bis zum Schluss wach bleiben.“ Auch Schütze Maltritz tat wenig überrascht über sein Kopfballtor nach Freistoßflanke von Filip Trojan. Er habe sich das fest vorgenommen, seine Kollegen aus der Viererabwehrkette hätten, ganz im Gegensatz zu ihm, ja alle schon getroffen.

Bis der Treffer des Tages allerdings gelang, glich das Spiel der Bochumer eher den Nachtgedanken, die man am liebsten verscheuchen möchte. Nach einer ausgeglichenen ersten Halbzeit mit jeweils einem Schuss gegen Latte und Pfosten, kamen die Münchner besser aus der Pause. Das in den ersten Saisonspielen meist auftrumpfende Bochumer Mittelfeld um den genauso ballsicheren wie langsamen Zvjezdan Misimovic verwandelte sich in einen Schweizer Abwehrriegel und die Abwehrspieler in Ballmaschinen, die versuchten, das Spielgerät möglichst weit nach vorne zu katapultieren. Auch Koller ahnte nachher etwas von der „Angst vor einem Gegentor“.

Die auswärts ungeschlagenen Münchner, mindestens so selbstbewusst wie die Hausherren, wären der Führung freilich noch näher gekommen, wenn sie im Strafraum das druckvolle Spiel ihrer Mittelfeldreihe fortgesetzt hätten. „In Kopfballduellen müssen wir noch eine Schippe drauf legen“, sagte Löwen-Trainer Reiner Maurer zerknirscht nach einer an Chancen armen Begegnung, die von seinem Team „dominiert“ worden sei.

Noch dominanter als die Sechziger waren die zahllosen Spielunterbrechungen von Schiedsrichter und Fußballverhinderer Michael Weiner. Immerhin notierte ein eingesetzter Schiedsrichterbeobachter auf der Pressetribüne so eifrig Panne um Panne des 36-jährigen Regelfetischisten aus Niedersachsen, dass Weiner seinem Ordnungssinn hoffentlich bald nur noch hauptberuflich nachgehen darf – als Polizeibeamter in Giesen.

Selbst Marcel Koller grollte den vielen unnötigen Pfiffen und gab dem Referee voller Mitgefühl die Mitschuld an der Niederlage des TSV 1860 München: „Die sind durch so eine Aktion bestraft worden.“ Richtig: Trojan fiel in einem regelgerechten Zweikampf, nach einem fragwürdigen Pfiff schoss er selbst den Entscheidungsfreistoß in einem tempoharten Zweitliga-Spitzenspiel, das mehr von Fehlern lebte und weniger von spielerischer Klasse.

Auch das könnte freilich ganz im Sinne der VfL-Anhänger sein: Hinter dem Tor der Fankurve im Ruhrstadion hängt nämlich ein zweites Transparent. Als Kommentar zur wenig filigranen, aber höchst erfolgreichen Bochumer Brechstange steht dort, wo die Tore fallen, noch eine Forderung: „Gegen den modernen Fußball!“ Auch das wird in Bochum dieser Tage beherzigt.