Wochenschnack
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Kritik, Protest und Lob

Rückmeldung Sahra Wagenknecht, Fidel Castro, Burkaverbot, Exxon-Mobil, Abschiebung – LeserInnen haben auf viele Themen reagiert. Eine Auswahl

Gegen Burkaverbot: vor französischer Botschaft in London, 2011 Foto: S. Wermuth

Zwietracht säen

betr.: „Geht’ s noch? Künstlich enger Horizont“, taz vom 10. 12. 16

Was soll das schon viel zu oft wiederholte Bashing der Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, im Zusammenhang mit der die Fremdenfeindlichkeit fördernden Politik von CDU/CSU? Da kann Wagenknecht noch so häufig klarstellen, dass sie etwas ganz anderes gemeint hat, nämlich dass unter der chaotischen Politik der Bundesregierung die „Flüchtlingskrise“ gar nicht zu bewältigen ist. Erstens, weil das Personal für eine ordentliche Bearbeitung der Asylanträge nicht ausgebildet und eingestellt wird; und zweitens: das ergibt sich aus der Sparpolitik allüberall, weil den ehrenamtlichen Helfern das meiste aufgebürdet wird und ihnen tagtäglich von einer Abschiebebürokratie Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. „So schaffen wir das nicht“, war und ist die wörtliche Antwort von Wagenknecht auf diese Zumutungen.

Stattdessen unterstellen Sie Sarah W., und damit der Linken, eine Nähe zur CDU/CSU (und AfD implizit) und fördern damit eine Stimmung, die der möglichen Willkommens- und Integrationskultur abträglich ist. Sonst setzt sich die taz ja stets für eine liberale und soziale Wechselstimmung in diesem Lande ein. Wie kann denn gerade so kurz vor den nächsten Bundestagswahlen eine solche Wechselstimmung aufkommen, wenn schon unter den Linken laufend Zweitracht gesät wird?

HOLGER ROHRBACH, Ahrensburg

Prinzipielle Frage

betr.: „Gesicht zeigen, Mensch sein“, taz vom 10. 12. 16

Den Argumenten Waltraud Schwabs gegen das Tragen einer Vollverschleierung kann ich zustimmen. Sie umgeht aber eine entscheidende Frage: Rechtfertigen diese Argumente ein staatliches Verbot samt Strafandrohung? Es geht dabei um eine prinzipielle theoretische Frage. Die praktische Bedeutung ist angesichts der extremen Seltenheit vernachlässigbar. Schätzungen gehen von maximal einigen Hundert Trägerinnen von Vollverschleierung in Deutschland aus.

Die religiöse Begründung der Vollverschleierung bezieht sich auf zwei Koranverse (Sure 24, Vers 31 und Sure 33, Vers 59), in denen jedoch nicht explizit von Vollverschleierung die Rede ist. Diese ist eine Interpretation weniger fundamentalistischer muslimischer Untergruppen. In jedem Fall geht es bei den Bekleidungsvorschriften im Koran darum, die körperlichen Reize der Frauen gegenüber anderen als ihren Ehemännern zu verbergen. Dies wird mit dem Schutz der Frauen vor den allzu begierigen Blicken der Männer und damit dem Schutz ihrer Würde begründet.

Die naheliegende andere Funktion, nämlich eine Art Eigentumsvorrecht der Ehemänner bezüglich ihrer Ehefrauen zu demonstrieren, ist allerdings schwer zu leugnen. Die Vorschrift verstößt auch gegen das Gleichberechtigungsgebot zwischen Mann und Frau, weil sie derartige Verhüllungsvorschriften für Männer nicht vorsieht. Dennoch sollte auch die fundamentalistische Interpretation der muslimischer Bekleidungsvorschriften nicht gesetzlich verboten werden.

Es gibt Muslima, wenn auch sehr wenige, die sich wirklich auf diese Weise geschützt fühlen, die ihren religiös begründeten Status gegenüber den Männern nicht als demütigende Unterwerfung ansehen. Das Recht auf freie Religionsausübung für diese Menschen muss den Vorrang haben gegenüber anderen Bedeutungszuweisungen der Mehrheit. Durch das Tragen einer Vollverschleierung greift man nicht unzulässig in Rechte anderer ein, wohl aber durch deren Verbot.

Selbstverständlich muss das von Ehemännern erzwungene Tragen dieser Kleidung unter Strafe gestellt werden, ebenso ist es berechtigt, beim Autofahren oder bei der Passkontrolle ein freies Gesichtsfeld zu verlangen. Ich halte im Übrigen auch Frau Schwabs ungefragte Kritik bei der Begegnung mit einer Burkaträgerin („muss das sein“?) für unangemessen. Angebracht ist es, seine Meinung klar zu äußern, wenn man von einer Vollverschleierten um seine Meinung zum Tragen der Kleidung gefragt würde oder im Bekanntenkreis. MICHAEL KLUCKEN, Bad Zwischenahn

Denkwürdig

betr.: „Afrikas geliebter Fidel“, taz vom 12. 12. 16

Das ist endlich mal wieder ein ausgezeichneter Artikel in der taz, der kritisch und doch in klarem Bewusstsein historischer Fakten ein paar wirklich denkwürdige Positionen ins Licht rückt. Ich habe ein dickes Problem mit Fidel Castro in Bezug auf Meinungsfreiheit und Bürgerrechte; dass unter seiner Führung aber trotz US-Boykott soziale Gerechtigkeit (soweit sie unter diesen Umständen realisierbar war) hergestellt und in Afrika die Freiheitsbewegungen unterstützt wurden, ist ihm und seinen Genossen hoch anzurechnen. Dass er sich offenbar nicht bereichert hat, ist ein zusätzlicher, angenehmer Aspekt.

WILLI KLOPOTTEK, Oberfeulen, Luxemburg

Exxon-freundlich

betr.: „Texanischer Ölscheich mit Kontakten“, taz vom 14. 12. 16

Der Exxon-Mobil-Chef wird Außenminister der USA. Warum die Aufregung? In der EU wurde mit Miguel Arias Cañete ein Ölbaron und Subventionsprofiteur ausgerechnet Kommissar für Klimaschutz und Energie. Die EU-Kommission gewährte Exxon Sonderrechte bei den TTIP-Verhandlungen. Neben groß angelegten Werbekampagnen und Schulkooperationen will der Konzern die breite Front der Frackingkritiker in der Bundesrepublik aufweichen. Und Exxon-Mobil ist auch im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vertreten, der unser Wasser hüten soll.

REGINA RENSINK, Stadum

Fundierte Antwort

betr.: „Wir brauchen Vielfalt im Journalismus“, taz vom 15. 12. 16

Anne Fromms fundierte Erwiderung auf Stephan Leberts aktuellen Artikel in der Zeit über die dringliche Notwendigkeit von Sozialreportagen hat mir wieder mal klar gemacht, warum ich immer noch die taz abonniere. Danke für diesen Artikel, der einerseits beweist, wie schwierig es ist, guten Journalismus in Zeiten von „Lügenpresse“ und „Establishment“ zu betreiben, welche Schwellen andererseits aber in unserem Bildungssystem überschritten werden müssten, um derzeit „bildungsferne“ Nichtakademiker an die renommierten Journalistenschulen zu holen. Nebenbei: Ich bin Sohn eines Waldbauern, der sechs seiner acht Kinder dank staatlicher Unterstützung studieren ließ – in den 1960er und 1970er Jahren.

HANS WEIDINGER, Fürth

Rechtes Hinterland

betr.: „Reichsbürger-Zählung“, taz vom 30. 11. 16

Ihr seid mal wieder vorne mit eurer Recherche über die Reichsbürger. Hoffentlich reicht sie zum Aufwachen! Dass in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen keine Angaben vorliegen, wundert nicht. Aber Hessen?! Hier läuft schon seit Jahrzehnten einiges schief : NSU-Verfassungsschutz, Finanz- und Steuerskandale, rechtsextreme Nester im „Hinterland“ und vieles mehr. Ich möchte nicht wissen, wie lebhaft und ungestört die Szene schon agiert. Da ist doch einiges übersehen und versäumt worden. Gefahren werden nicht erkannt und nicht gebannt. Ilona Horn,Marburg