Neuer Streit um die irakische Verfassung

Eine Änderung des Wahlrechts durch das von Schiiten dominierte Parlament stößt auf Proteste – nicht nur der Sunniten

KAIRO taz ■ Die politische Krise rund um das für den 15. Oktober angesetzte irakische Verfassungsreferendum hat sich verschärft. Auslöser des neuen Streits ist eine Wahlrechtsänderung, die am Montag in dem von Schiiten dominierten Parlament verabschiedet worden war. Damit ist es unwahrscheinlich geworden, den Entwurf durch eine politische Minderheit zu Fall zu bringen.

Die mit dem Entwurf unzufriedenen Sunniten hatten sich bisher ernsthafte Chancen ausgerechnet, die Verfassung auf demokratischem Weg zu verhindern. Sie fürchten um eine Schwächung der Zentralregierung in Bagdad und sehen die Verfassung als einen Vorboten für die Teilung des Landes.

Ursprünglich wäre der Entwurf gescheitert, wenn er in drei Provinzen von einer Zweidrittelmehrheit der Wähler abgelehnt wird. Die Chance, dass die Verfassung in den sunnitischen Provinzen nicht bestätigt wird und so landesweit scheitert, war damit gegeben. Nun heißt es aber, dass sie nicht von Zweidrittel der abgegebenen Stimmen, sondern von Zweidrittel der eingeschriebenen Wähler abgelehnt werden muss. Angesichts der Tatsache, dass bei den Parlamentswahlen die Wahlbeteiligung bei 60 Prozent lag, dürfte es nun durch diesen Taschenspielertrick de facto unmöglich sein, den Entwurf zu Fall zu bringen.

Nicht nur die Sunniten des Landes schreien nun auf, auch unabhängige Politiker glauben, dass mit dieser Modifizierung des Wahlrechts die Glaubwürdigkeit des Referendums Schaden erlitten hat. „Das spottet jeglicher Demokratie und jeglicher Rechtsstaatlichkeit“, meint erwartungsgemäß Adnan Dschanabi, einer der sunnitischen Abgeordneten. „Alle Sunniten, die immer gesagt haben, sie würden ohnehin nicht an den demokratischen Prozess glauben, fühlen sich nun bestätigt“, fügte er hinzu. Aber auch kurdische Abgeordnete, die den Verfassungsentwurf grundsätzlich unterstützen, äußerten sich kritisch zur Änderung des Wahlrechtes. „Das ist unfair. Jeder schneidert es sich zurecht wie er es braucht, je nachdem, ob ‚Wähler‘ oder ‚registrierte Wähler‘ besser den eigenen Interessen dienen“, erklärt der unabhängige Kurdenabgeordnete Mahmud Osman.

Nach Informationen aus diplomatischen Kreisen soll auch die US-Botschaft in Bagdad nicht allzu glücklich über die Wahlrechtsänderung sein. Der für die US-Truppen im Irak zuständige General George Casey hatte noch letzte Woche davor gewarnt, dass sich die Lage unweigerlich verschärfen werde, wenn eine Verfassung gegen die Sunniten durchgesetzt wird. Damit würden, so der General, die US-Hoffnungen zunichte gemacht, einen Teil der amerikanischen Truppen im Frühjahr abzuziehen.

Auch die Arabische Liga hat inzwischen eine Initiative ergriffen, die verschiedenen Volksgruppen im Irak doch noch zu einem Verfassungskonsens zu bringen. Geplant ist eine von den arabischen Außenministern unterstützte Versöhnungskonferenz. Allerdings ist bisher offen, ob diese noch vor dem Verfassungsreferendum abgehalten werden kann.

KARIM EL-GAWHARY