Mehr Aufträge – und trotzdem weniger Stellen

Die deutsche Bahnindustrie liefert verstärkt ins Ausland. Im Inland sinkt hingegen weiterhin die Nachfrage

BERLIN taz ■ Die deutsche Bahnindustrie streicht immer mehr Stellen. Allein im ersten Halbjahr diesen Jahres haben 1.800 der gut 39.000 Mitarbeiter ihren Job verloren, so viel wie im ganzen Jahr 2004, erklärte gestern der Verband der Bahnindustrie in Deutschland. „Der Arbeitsplatzabbau beschleunigt sich“, sagte Präsident Friedrich Smaxwil.

Dabei haben die Hersteller von Zügen, Gleisen und Signaltechnik erstmals seit drei Jahren wieder mehr Aufträge bekommen. Für rund 3,5 Milliarden Euro gingen Bestellungen ein, 300 Millionen mehr als noch vor einem Jahr. Weil es aber einige Jahre dauert, bis die Aufträge abgearbeitet sind und Geld bringen, rechnen die Firmen für dieses Jahr noch mit sinkenden Umsätzen – und somit weiteren Arbeitsplatzverlusten.

Hinzu kommt, dass erstmals mehr Aufträge aus dem Ausland als aus dem Inland kommen. Bereits in diesem Jahr stieg die Exportquote auf 52 Prozent. Vor allem Waggons und Lokomotiven sind gefragt. Einerseits sei das ein Beweis für die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie, sagte Smaxwil. Auf der anderen Seite könnte die Entwicklung auch dazu führen, dass die Firmen zukünftig auch mehr im Ausland investieren und Produktion verlagern. „Aufträge sind immer noch die besten Argumente für Investitions- und Standortentscheidungen.“ In Deutschland wird hingegen immer weniger in Bahntechnik investiert. Mit 39 Euro pro Kopf liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern weit zurück. Großbritannien, wo die Schiene über lange Jahre vernachlässigt wurde, liegt bei gut 100 Euro pro Einwohner, Spitzenreiter ist die Schweiz mit über 250 Euro. In Deutschland verbaut die Deutsche Bahn hingegen auch in diesem Jahr nicht alle vom Bund bereitgestellten Mittel, knapp 400 Millionen Euro dürften am Ende des Jahres übrig bleiben. Kritiker der Bahn vermuten, dass sie die Mittel nicht abrufe, weil sie sich den fälligen Eigenanteil von 10 bis 20 Prozent sparen will.

Verbandsgeschäftsführer Michael Clausecker sieht die Schuld hingegen nicht bei der Bahn. Vielmehr sorge die Amtsbürokratie zwischen Ministerium und Behörden dafür, dass die Mittel oft erst im November bereitstünden und dann im entsprechenden Jahr nicht mehr verbaut werden könnten. „An dieser Stelle brauchen wir dringend neue Wege der Zusammenarbeit.“ STEPHAN KOSCH