LeserInnenbriefe
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Aggressiver Ton

betr.: „Yallah, auf die Straße“, von Hengameh Yaghoobifarah,taz vom 9. 12. 16

Ich wundere mich schon geraume Zeit über den aggressiven Ton, mit denen Ihre Kolumne die „urdeutsche“ Leserschaft dieser Zeitung überschüttet. Die taz ist flink darin, der CSU Imitation von AfD-Rhetorik vorzuhalten, aber es ist keinen Deut besser, sich selbst mit aggressiv-linker „hate speech“ zu schmücken. Irgendwie scheint die taz und Ihre Kolumne zu meinen, Rassismus sei ein „Privileg“ von Biodeutschen und alles mit linker Moral zu verdrängen, was Flüchtlinge an Rassismus und Sexismus mit nach Deutschland gebracht haben.

Ich arbeite seit zwei Jahren ehrenamtlich mit Flüchtlingen und bemühe mich rund um die Uhr, Vorurteile in meiner Nachbarschaft abzubauen. Gleichzeitig aber erschüttern mich die kulturellen Selbstverständlichkeiten, die mir in Flüchtlings­unterkünften begegnen: wenn ein syrischer junger Mann mir zum Beispiel erklärt, „Afrikaner stinken“. Oder wenn eine syrische Frau, die fünf Tage zuvor entbunden hat, blutend zu Hause liegt, weil ihr Mann sie dringend beschlafen musste. Auch in Sachen Antisemitismus könnten AfDler bei palästinensischen Flüchtlingen in die Lehre gehen. Anstatt sich das anzutun, ist es natürlich einfacher, aus sicherem Abstand ein paar schöne Vorurteile zu pflegen wie Frau Yaghoobifarah: Ausländer – Opfer; Deutsche – Täter, und diese in schöner Regelmäßigkeit zu beschimpfen: dass sie sich den Hintern nicht richtig abputzen, ihr Essen falsch würzen und vor allem nichts tun, um „feindliche Strukturen aufzubrechen“.

Um es in Ihrer Sprache zu sagen, Frau Yaghoobifarah: Es ist mir scheißegal, was die Leute auf dem Kopf tragen oder ob sie Kacke am Arsch hängen haben. Es ist mir auch egal, mit wem sie schlafen oder ob ihre Haut gestreift ist. Ich arbeite ohne Kohle 30 Stunden die Woche daran, dass die Stimmung in meiner Nachbarschaft friedlich und menschenfreundlich bleibt. Hören Sie endlich auf, mich zu beschimpfen und gehen Sie mal selbst in die Unterkünfte! Bringen Sie Flüchtlingsfrauen bei, dass man Jungs auch erziehen und Mädchen nicht nur frisieren kann. Stellen Sie doch mal die kleinen Macho-Arschlöcher mit Migrationshintergrund zur Rede, die auf ihrem Schulhof jene Jungs auslachen oder gar verprügeln, die mit Mädchen spielen. Packen Sie Ihre Stereotype weg und verbringen Sie ein bisschen Zeit mit Menschen ohne Bildung und Zähne, stellen Sie sich den Rassismen und Sexismen, die sie wie alle Menschen in sich tragen. Sie schießen in die falsche Richtung, hören Sie endlich auf damit!

KATHRIN KELLER, Gau-Bischofsheim

Gegenwind verstanden

betr.: „Juso-Chefin ist raus“, taz vom 12. 12. 16

Ich würde die Aufregung um Johanna Uekermanns nicht erreichten Listenplatz verstehen, wenn kein Juso auf einem der Plätze bis Platz 22 stände. Das Problem ist jedoch, es gibt da diese Bela Bach auf Listenplatz 20, und da beginnt es für mich zu stinken. Da schießen sämtliche „Lemminge“ also gegen die Bayern-SPD und sind pro Uekermann (auch die Bayern-Jusos, die sogar so weit gehen, die Wahlkampfhilfe zu verweigern) und schießen damit dann dem besser gestellten Juso-Mitglied in den Rücken. Schlimmer finde ich, dass Johanna Uekermann hier „gleicher“ als gleich behandelt wird und es auch zu erwarten scheint. Und genau das, was sie ja angeblich abschaffen will, fordert sie für sich ein. Da verstehe ich den Gegenwind, Regionalproporz der Bayern-SPD hin oder her. FLORIAN SCHOLZEN, Solingen

War schon klar

betr.: „Juso-Chefin ist raus“, taz vom 12. 12. 16

War mir schon klar, dass das mit Johanna nix wird. Das vom „Management“ der SPD verordnete Suchen der Wähler in der Mitte würde so gar nicht zu einer echten Linken passen. Wo kämen wir denn hin, wenn eine SPD sich anschickt, plötzlich soziale Politik zu betreiben, die mit einer Johanna Uekermann sehr viel wahrscheinlicher ist als unter der GroKo, die momentan ganz fürchterlich unter WSK (Weiter-so-Krankheit) leidet.

Es kommt auch ganz „gut“ beim Bürger an, wenn ein Martin Schulz, zukünftiger Expräsi der EU, sich vorab – und zur Not selbst – auf Listenplatz 1 der NRW-SPD setzt und Politiker, die zu einem Großteil für das stehen, was die SPD groß gemacht hat und was die Bürger von einer sozialdemokratischen Partei erwarten, abgeschossen werden. Ich fürchte, wir (die SPD) werden Johanna damit kurz- oder mittelfristig für immer verlieren. Alternativ könnte ich mir vorstellen, dass sich der NRW-Landesverband, der sich bei Martin Schulz ja ziemlich großzügig zeigt, bei Johanna ebenso großzügig agiert und sie kurzerhand auf die NRW-Liste setzt. UDO SIEBRASSE, Gelsenkirchen

Blockadehaltung alter Männer

betr.: Juso-Chefin ist raus“, taz vom 12. 12. 16

Die junge Johanna Uekermann, engagiert und mit dem Mut für eine eigenständige linke Politik in der SPD, scheitert wohl an der Blockadehaltung alter Männer. Dabei sollten doch die Sozialdemokraten froh sein, mit dieser Juso-Vorsitzenden ein politisches Talent mit herzerfrischenden und zukunftsweisenden Ideen sowie sozialer Grundüberzeugung zu besitzen. Nein, da werden Proporzforderungen geltend gemacht, die nur dürftig den eigentlichen Grund der Abstrafung durch Nichtwahl verdecken. Die Kandidatin hatte die Courage, vom Parteivorsitzenden die Einheit von Wort und Tat öffentlich einzufordern. Ach, hätten wir doch mehr von solch jungen Streitern für eine andere, eine bessere und sozial gerechtere Politik. RAIMON BRETE, Chemnitz