Als der Film das Lachen lernte

Filmgeschichte Frank Capra war einer der Begründer der Screwball-Komödie. Das Arsenal widmet ihm eine Werkschau

„You Can't Take it With You“ zeigt einen rigiden christlich-patriarchalen Tea-Party-Schoß-der-Familie-Konservativismus Foto: Arsenal

von Fabian Tietke

Als der Film sprechen lernte, gab es zwei Arten von Regisseuren – die, die von der neuen Technik überrollt wurden, und jene, bei denen man sich fragt, wie sie bislang ohne dem Tonfilm auskommen konnten. In der Filmografie Frank Capras markierte der Übergang zum Tonfilm den Beginn einer langen Erfolgsserie, die bis kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs anhalten sollte.

Capra war 1903 als Fünfjähriger mit seiner Familie aus Sizilien in die USA emigriert und hatte nach einem Chemiestudium und einem Abstecher in die Armee in den 1920er Jahren mit dem Filmemachen begonnen. Von Ende der 1920er Jahre bis 1939 arbeitete er mit Harry Cohns Columbia Pictures zusammen. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden einige der erfolgreichsten Filme seiner Karriere wie „It Happened One Night“ (1934), „Mr. Deeds Goes to Town“ (1936) oder „Mr. Smith Goes to Washington“ (1939). Das Arsenal widmet Frank Capra nun eine umfassende Retrospektive. Die 25 dort gezeigten Filme reichen von Capras erstem Kurzfilm, „Fultah Fisher’s Boarding House“ von 1922, bis zu Capras letztem Spielfilm, „Pocketful of Miracles“ von 1961.

Capras Filme für Columbia waren äußerst erfolgreich an den Kinokassen. Columbia nutzte diesen Erfolg, um sie – wie damals in den USA üblich – im Paket an Kinos zu verleihen. Neben Capras Erfolgen fand sich in diesen Paketen auch Durchschnittlicheres. Vor allem eine Serie romantischer Komödien, die 1931 mit dem Jean-Harlow-Vehikel „Platinum Blonde“ begann, war für Regisseur und Produzenten eine sichere Bank und brachte die inszenatorischen Fähigkeiten Capras und die Drehbücher von Robert Riskin perfekt zur Geltung.

In Filmen wie „Platinum Blonde“ und der Banker-Finanzkrisen-Komödie „American Madness“ (1932) kommen bereits alle Züge zum Tragen, die Capra in der Zeit der Wirtschaftskrise zu einem der wichtigsten Komödienregisseure machen sollten – eine Entwicklung, die in der Screwball-Komödie „It Happened One Night“ mit Clark Gable und Claudette Colbert gipfelte. „It Happened One Night“ gilt als einer der Gründerfilme der Screwball-Komödie und war zudem der erste Film, der den Oscar in allen fünf Hauptkategorien gewann.

Frank Capras Filme sind stark auf die Männerrollen fokussiert

Anders als in jener Zeit üblich, zeigen sich auch in diesen Filmen Capras steife, strenge Züge: Während sich Howard Hawks und George Cukor Arbeiten durch eine quirlig-wirbelnde Körperlichkeit auszeichnen, die auch weibliche Rollen erfasst und revolutioniert, sind Capras Filme stark auf Männerrollen fokussiert. In der Besetzung zeigt er eine deutliche Vorliebe für schlaksig, leicht schratige Gentlemen-Darsteller wie James Stewart oder Gary Cooper und nicht für akrobatischere Darsteller wie Cary Grant. Er inszeniert eher die gediegene Schulter zum Anlehnen als den sympathischen Habenichts, der die Filme jener Jahre sonst so oft bevölkert (selbst der Reporter in Stew Smith in „Platinum Blonde“ hat ein wohlgefülltes Bankkonto).

Auch ideologisch geht Capra andere Wege als viele seiner Zeitgenossen: Während das US-Kino jener Zeit oft mit dem New Deal des Präsidenten Franklin D. Roosevelt sympathisierten, misstraute der überzeugte Republikaner Capra dieser Politik zutiefst. So verbindet der Eröffnungsfilm „You Can’t Take it With You“ den Ausbruch aus den Zwängen der Ökonomie mit einem reichlich rigiden christlich-patriarchalen Tea-Party-Schoß-der-Familie-Konservativismus. Diese Haltung wurde Capras Filmen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum Verhängnis: Capra konnte nur noch sechs Spielfilme realisieren.

Capra verlegte sich auf den Lehrfilm. Ein Feld, in dem er ebenfalls Überragendes geleistet hat: Unmittelbar nach dem Überfall Japans auf Pearl Harbor gab Capra seine Arbeit als Spielfilmregisseur auf und begann mit der Arbeit an der Filmreihe „Why We Fight“, die amerikanischen Soldaten weltweit die Hintergründe des Krieges deutlich machen sollte. Aufgrund ihrer Konzeption und Überzeugungskraft sind die sieben Filme der „Why We Fight“-Reihe und die drei kurzen Filme, die in deren Umfeld entstanden, zentrale Bestandteile der US-amerikanischen Dokumentarfilmgeschichte geworden.

Retrospektive Frank Capra: Kino Arsenal, 8. 12. 16 bis 20. 1. 2017, www.arsenal-berlin.de