herr tietz macht einen weiten einwurf
: Auf der Milka-Alm

Fritz Tietz wundert sich über die sinnlose Umbenamung selbst traditionsreicher Fußballspielstätten

Fritz Tietz ist 45 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

Als das Bielefelder Fußballstadion noch Alm hieß, verbreitete die Bild-Zeitung eines Tages das Gerücht, die Alm werde in „Milka-Alm“ umbenannt. Obendrein wolle man den Rasen des Spielfelds lila einfärben, hieß es. 1996 war das, und kein Mensch, nicht mal der tumbste Bild-Leser, hielt damals solchen Quatsch für möglich. Allein die Idee, ein Fußballplatz könnte jemals einen anderen als den angestammten Namen erhalten, galt als mindestens so abwegig wie, sagen wir mal, die Umbenennung des Kölner Stadtteils Müngersdorf in RheinEnergy.

Keine zehn Jahre später ist aus dem Witz Ernst geworden. Neben etlichen anderen deutschen Stadien wurde längst auch die Alm umbenamt. Gleichwohl nicht in „Milka-Alm“; und fast muss man das bedauern. Gegen das grässliche Namenungetüm nämlich, das da dem Bielefelder Stadion aufgestülpt wurde – ich kann diesen Namen hier nicht nennen, weil ich die dafür notwendige Buchstabenkombination auf meiner Tastatur gesperrt habe – gegen diese Namensjauche, mit der da die Stätte meiner frühkindlichen Fußballinitiation besudelt wurde, nimmt sich „Milka-Alm“ geradezu zärtlich aus. Wenn schon eine Veräußerung der Stadionnamen aus wirtschaftlichen Gründen unvermeidbar sein soll, wie mittlerweile jeder Depp behauptet, dann wenigstens so: mit einem, wenn auch leicht behämmerten, aber dafür gar nicht mal so unkomischen Bezug zum Traditionsnamen.

Folglich hätte das Frankfurter Waldstadion vielleicht in Wienerwaldstadion umgetauft werden müssen. Es heißt neuerdings aber Commerzbank-Arena. Ein Name wie eine Sparkassenfiliale. Ich jedenfalls muss bei Commerzbank sofort an überheizte Schalterhallen denken mitsamt diesem auslegewaregedämpften, stete Emsigkeit simulierenden Dienstleistungsgetue, wie es für die Publikumsräume deutscher Geldinstitute so typisch ist. Commerzbank. Das klingt für mich nach einer öden Einkaufsstraßenniederlassung im mindestens genauso verödeten Citybereich einer mittleren deutschen Großstadt. Nach unwirtlicher Geldautomatenhalle auch, welche nach 20 Uhr nur über einen im Eingang nächtigenden Berber zu betreten ist.

Commerzbank. Das ist vor allem die unschöne Erinnerung an jenen pudelartig minipulierten Kundenberater, der auf meine Anfrage nach den Konditionen für ein Geschäftskonto, das ich einst als Gesellschafter einer aufstrebenden Unternehmung bei der Commerzbank zu eröffnen die Absicht hatte, zunächst zurückfragte: „Und in welcher Branche wollen sie … (hüstelhüstel) … tätig werden?“, und ihm, als ich „Fernsehen“ antwortete, dazu nichts Blöderes einfiel als ein leicht Spöttisches: „Ah, verstehe: Hollywood!“ Die Führung besagten Geschäftskontos übernahm selbstverständlich ein anderes Institut.

Und dies war wohl ein weiser Entschluss, wie sich jetzt einmal mehr erwies. Ich wäre sonst nämlich mit einem Unternehmen verbandelt gewesen, welches man neuerdings wegen seiner Namenspatenschaft für ein Fußballstadion, dessen Dach ganz offensichtlich das Wasser nicht halten kann, mit so zweideutigen Begriffen wie „nicht ganz dicht“ oder „Dachschaden“ in Verbindung bringt. Bereits im Juni hatten sich während des Confederations-Cup-Endspiels zwischen Brasilien und Argentinien einige sehr feuchte Sturzbäche ins Innere der Commerzbank-Arena ergossen. Und am letzten Bundesliga-Spieltag war ein ähnlich beeindruckender Wasserfall zu beobachten: obwohl das Regendach als geschlossen galt, kübelte es nur so in die Commerzbank-Arena. Wem kommen da nicht automatisch Formulierungen wie „nass machen“ oder „im Regen stehen“ in den Sinn?

Überdies zwei Begrifflichkeiten, die man sowieso schon mit der Commerzbank assoziiert. Schließlich sind von diesem Unternehmen durch massenhaften Personalabbau in den letzten Jahren zigtausende „nass gemacht“ und „im Regen stehen gelassen worden“. Wie man eben so sagt, wenn man jemanden verarscht und im Stich lässt.