Seid umschlungen!

EU-Medienkommissarin Reding will ihren Einfluss auf die nationalen Zeitungsmärkte vergrößern – um deren Wirtschaftlichkeit zu sichern

VON SVEN PRANGE

Europas Zeitungsverleger sollen künftig die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit aus Brüssel vorgegeben bekommen. EU-Medienkommissarin Viviane Reding hat jetzt ein entsprechendes Arbeitspapier an die einschlägigen Interessenverbände geschickt. Inhalt: eine Bestandsaufnahme der europäischen Verlagswirtschaft und die Aufforderung, Wünsche zu äußern, wie die Kommission den Printmarkt gestalten könne. Damit scheint die Kommissarin fest entschlossen zu sein, nach Rundfunk und neuen Medien auch in Sachen Printmedien künftig ein Wörtchen mitreden zu dürfen. Erst kürzlich hatte Reding mit ihrer Initiative, Product Placement im Fernsehen begrenzt zu erlauben, für Unmut in den europäischen Verlegerverbänden gesorgt.

In ihrem aktuellen Arbeitspapier beschreibt die Kommission nun den Printmedienbereich als großen Markt, den man von Fesseln befreien müsse. „Die Auflagenzahlen sinken, dadurch wird die Abhängigkeit von Werbung noch größer“, analysiert die Kommission. Deswegen müssten den Verlegern Möglichkeiten gegeben werden, sich dem Strukturwandel zu stellen. Das hätten diese bisher nicht getan. Ihre eigene Rolle hat die Kommission gleich mit definiert: Sie wolle darauf achten, dass die Verlage wettbewerbsfähig bleiben, dass genügend Innovationen getätigt würden und der Zugang zu Kapital verbessert werde. Konkreter wird das Papier nicht.

Dabei räumt die Kommission ein, dass es um die Branche nicht schlecht steht. So sei die Produktivität im Medienbereich in der EU höher als in den USA. Auch Deutschland steht gut da. Etwa 6.700 Unternehmen mit über 185.000 Beschäftigten hat die EU hier ausgemacht. Zum Vergleich: In Frankreich beschäftigen 12.000 Verlage „nur“ 89.000 Mitarbeiter. Auch ein Zeichen für die Konzentration in Deutschland. Darüber verliert die Kommission kein Wort. Sollte sie aber, mahnt der Medienwissenschaftler Horst Röper vom Formatt-Institut: „Eine EU-Politik im Bereich der Printmedien macht nur in Fragen der Fusionskontrolle Sinn.“ Das sieht man auch bei der Gewerkschaft Ver.di so. „Ein einheitliches europäisches Kartellrecht für Verlage wäre wünschenswert“, sagt Ver.di-Medienexperte Martin Dieckmann. Dann könne man etwas gegen die Monopolstellung deutscher Verlage in Osteuropa tun. Dem widerspricht der deutsche Verlegerverband BDZV. „Im Bereich der Fusionskontrolle hat die EU keine Kompetenzen“, sagt Helmut Verdenhalven, Abteilungsleiter Medienpolitik beim BDZV.

Bisher hatte sich die EU-Kommission aus dem Tageszeitungsmarkt herausgehalten. Das soll sich nun ändern: „Die Rahmenbedingungen, in denen die europäische Verlagswirtschaft operiert, können durch die europäischen Institutionen gesetzt werden“, meint Reding. Die Legitimation dazu erteilt sich die Kommission gleich selbst. Denn sie sieht Tageszeitungen nicht als meinungsbildendes Kulturgut – dann wäre die EU nicht zuständig –, sondern erklärt den Printmarkt zum Bestandteil des Binnenmarkts, dessen Gestaltung der Kommission obliegt. Europaweit 121 Milliarden Euro Umsatz jährlich und 750.000 Arbeitsplätze wecken Begehrlichkeiten.

„Presserecht ist eine nationale Angelegenheit“, sagt dagegen Helmut Verdenhalven. Zwar habe der BDZV seine Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen, aber: Das vorgelegte Papier schweige sich zu wichtigen Fragen aus. „Die Kommission verliert zum Beispiel kein Wort über die Konzentration im Einzelhandel und dessen Auswirkungen auf den Werbemarkt, die wirklich substanziellen Veränderungen im Anzeigengeschäft oder das Zusammenspiel von Internet und Zeitungen.“