Beistand für den Letzten

EISHOCKEY Für die Grizzly Adams Wolfsburg läuft die Saison miserabel. Die Fans applaudieren trotzdem

„Die Leute wissen zu schätzen, was hier geleistet wird“

GESCHÄFTSFÜHRER KARL-HEINZ FLIEGAUF

Seine Beförderung, versichert Karl-Heinz Fliegauf, ändere im täglichen Miteinander eigentlich nichts. Aber sie ist ein deutliches Signal. Mit der Beförderung des 52-Jährigen vom Sportdirektor zum Geschäftsführer dürfte für alle Beteiligten sichtbar geworden sein, dass ihm die Vereinsführung der Grizzly Adams Wolfsburg nicht die Schuld an der aktuelle Misere gibt. Die Niedersachsen sind das Schlusslicht der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Von 24 Partien haben sie gerade einmal sieben gewonnen. Von elf Begegnungen vor heimischem Publikum lediglich drei. „Unser Problem sind vor allem die Heimspiele“, gesteht Fliegauf, der am Sonntag in der Partie gegen die Straubing Tigers wieder einmal bester Hoffnung war – und dann wieder eine Schlappe einstecken musste. Diesmal verloren die Wolfsburger mit 1:2 (0:0, 1:0, 0:2) gegen Straubing.

Das besondere Miteinander, das der Chef und die Spieler auch bei ihrer Talfahrt pflegen, ist nicht typisch für die DEL. Fliegauf sucht vor den Spielen in der Umkleidekabine den direkten Kontakt zur Mannschaft. Während der DEL-Partien hat er in der Nähe von Trainer Pavel Gross einen Stammplatz direkt hinter den Ersatzspielern. Der „Charly“, wie Karl-Heinz Fliegauf in der Branche genannt wird, bewahrt sich so eine Nähe zum Geschehen und einen klaren Blick auf die Dinge.

2007 der Aufstieg in die DEL, 2009 Pokalsieger und 2009 sogar Vizemeister – die Wolfsburger können auf eindrucksvolle Erfolge zurückblicken. Deshalb ertragen sie Hohn und Spott relativ gelassen. „Ihr seid Letzter, jeder weiß warum“, sangen die Fans der Hannover Scorpions, als ihr Team die Wolfsburger am Freitag mit einer 2:4-Niederlage auf die Heimreise schickte.

Auf der Suche nach den Gründen für ihren sportlichen Durchhänger landen die Wolfsburger meistens bei personellen Engpässen. „Man muss realistisch sehen, was fehlt“, sagt Fliegauf, und meint gesunde Spieler. Nationalverteidiger Christopher Fischer, der am Saisonende zum Ligarivalen Mannheim wechselt, fehlt ihnen wegen einer Knieverletzung.

Die Versuche, Fischer zu ersetzen, scheitern an einem Mangel an Alternativen. Mit einem Saisonetat von 4,8 Millionen Euro gehören die Grizzly Adams zu den eher minderbemittelten Klubs der DEL. Die große Gabe von Geschäftsführer Fliegauf, budgetorientiert arbeiten zu können, bedeutet nichts anderes, als dass er mit wenig Geld viel Geschick bei seinen Spielerverpflichtungen beweisen muss.

Das Erstaunliche an der Wolfsburger Talfahrt ist, dass sich unter den Wolfsburger Zuschauern das Gemurre in Grenzen hält. Durchschnittlich 2.400 zahlende Besucher wollen die Heimspiele der Grizzly Adams sehen. Weniger Zuschauer hat kein anderer Klub der DEL. Aber die Gefolgschaft in Wolfsburg, deren harter Kern Trikots und Schals in einem schrillen Orange trägt, ist ungemein treu.

„Die Leute wissen zu schätzen, was hier geleistet wird. Die Grundstimmung auf den Rängen ist noch positiv. Und das gibt ein gutes Gefühl“, sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Fliegauf. Kaum Pfiffe und Buhrufe, sonder Applaus für ehrliche Arbeit – es dürfte hierzulande im bezahlten Sport nur wenige Tabellenletzte geben, die trotz ihrer vielen Pleiten noch so beliebt sind wie die Grizzly Adams aus Wolfsburg.  CHRISTIAN OTTO