FRAGEN DER REPRÄSENTATION
: Kiffen in echt

In den Siebzigern wurde im Fernsehen mehr geraucht

Es war Nachmittag. Wir saßen in G.s Küche. Nur manchmal ging jemand zwischendurch in das Wohnzimmer, um neue Musik anzumachen. Paulina Rosas, eine mexikanische Filmemacherin, war zu Besuch. Weil die Filmemacherin, deren Film „Dos de Tres“ auch auf dem Interfilm-Festival zu sehen war, gerade einen Deutschkurs macht und weil ich kein Spanisch kann, sprachen wir nicht auf Englisch, sondern auf Deutsch über den mexikanischen Film „Miss Bala“, der im Drogenkrieg spielt.

Weil das Deutsch der mexikanischen Filmemacherin noch nicht so gut war, unterbrach mich G. bei jedem Satz, um ihn auf Spanisch zu übersetzen. Ich fand es superinteressant, dass „Miss Bala“ zwar im Drogenkrieg spielt, in dem Film aber an keiner Stelle Drogen vorkommen, und endete in einem Vortrag über Medien und Repräsentation, in dem es darum ging, dass Zigaretten in den Siebzigerjahren im Fernsehen überrepräsentiert waren und mittlerweile längst unterrepräsentiert sind, dass also in den Siebzigern im Fernsehen mehr geraucht worden war als in echt, während heutzutage im Fernsehen – aus pädagogischen Gründen – weniger als in echt geraucht wird. Und dass ich es besser fände, wenn in den Medien alles ungefähr so wie in echt repräsentiert werden würde, und deshalb auch darauf achte, dass in meinen Texten oft gekifft wird, weil das in Wirklichkeit ja auch viele tun.

Wegen der vielen Pausen, in denen G. übersetzte, dauerte mein Vortrag sehr lange. Jeder Satz, den ich sagte, klang plötzlich wie eine offizielle Stellungnahme, und ich kam mir vor wie der Sprecher einer Delegation bei einer Konferenz. Ich sagte einen Satz, machte eine Pause, G. übersetzte, dann sagte ich den nächsten. Später bemühte ich mich noch lange, die Bedeutung des feministischen Binnen-Is anhand des Unterschieds zwischen KifferInnen und Kiffern zu verdeutlichen. DETLEF KUHLBRODT