Eine Titanic-Aktion?

betr.: „ Offensive für Deutschland“, taz vom 26. 9. 05

Wenn man jede Form von Patriotismus doof findet, ist man immer dankbar, wenn einem die Gegenseite die Argumente abnimmt. Denn was soll man zu einer Kampagne wie „Du bist Deutschland!“ noch sagen? Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen, die Sache erledigt sich fast von selbst. Die Neugier hat dann aber doch das Angewidertsein besiegt und mich auf die Homepage geführt, und da treibt die Metaphysik noch seltsamere Blüten: „Wie kann man Albert Einstein, Claudia Pechstein oder Günther Jauch sein?“, wird da gefragt. Ja, wie nur? Das hat mich auch schon immer beschäftigt. Die erstaunliche Antwort: „Indem man zu sich steht und an sich glaubt.“ Und ich dachte immer, Selbstbewusstsein sei was Schönes. Aber die Aussicht, dass ich mich dann plötzlich in Günther Jauch verwandeln könnte, ist wenig verlockend. Wie aber reagieren auf so eine Unterstellung? Man spürt ja förmlich den Zeigefinger, der einen in den Bauch kiekst: „Hey, du bist Deutschland!“ „Nein, sorry, hier liegt ein Irrtum vor, ich bin Maurice, für Sie immer noch Herr Lahde. Und bitte, fassen Sie mich nicht an.“ Die Erinnerung an eine berühmte Bild-Schlagzeile vom Mai weckt in mir indes die Befürchtung, dass – wenn beide Sprüche wider Erwarten doch stimmen sollten – ich nicht nur Deutschland, sondern auch Ratzinger bin. Ich habe so lange gebraucht, um mit mir ins Reine zu kommen – und jetzt das. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Ganze eine Aktion der Titanic ist. MAURICE LAHDE, Berlin