EINE REVOLTE GEGEN MERKEL STEHT IN DER UNION NICHT BEVOR
: Keine Iden des Merz

Passiert jetzt, worauf die Sozialdemokraten wochenlang vergeblich warteten? Beginnt die Union jetzt, ihre eigene Spitzenkandidatin hinterrücks zu meucheln, damit sich Gerhard Schröder die Trophäe an den Strohhut des politischen Pensionärs stecken kann? Zwei Worte waren es, die bei den Genossen gestern diese schwache Hoffnung wecken mochten: „personelles Angebot“. Das „personelle Angebot“ der Union, schrieb Friedrich Merz in einer finanzpolitischen Kolumne für ein Wirtschaftsblatt, sei neben dem Wahlprogramm schuld gewesen am schwachen Abschneiden bei der Bundestagswahl.

Keine Frage: Das „personelle Angebot“ der Union, das war zuallererst die Spitzenkandidatin Angela Merkel. Doch ist im Fall von Friedrich Merz nur allzu offenkundig, woher die Erkenntnis rührt. Ihn stört vor allem, dass er selbst nicht mehr zum „personellen Angebot“ gehört, seit ihm Merkel vor drei Jahren mit Unterstützung des Bayern Edmund Stoiber den Posten des Fraktionschefs raubte. Schon damals ließ er in einem spektakulären Zeitungsinterview seiner Abneigung gegen die Rivalin freien Lauf. Schon damals war es eine rein persönliche Rechnung, die er damit beglich. Rückschlüsse auf eine bevorstehende Revolte in der Union sollten man aus den Äußerungen des Sauerländers damals wie heute nicht ziehen.

Lässt man die verletzte Eitelkeit beiseite, dann zeigt sich bei nüchterner Betrachtung: Solange die SPD ihre Drohkulisse einer fortgesetzten Kanzlerschaft Schröders aufrechterhält, und sei es nur pro forma, ist Merkel für die Union unantastbar. Das wissen die Funktionsträger die Union. Damit befindet sich Merkel in einer ungleich komfortableren Lage als die Unterhändler der SPD, an deren offizielle Linie außer dem Poltergeist Ludwig Stiegler kaum noch jemand wirklich glaubt. Es fragt sich allerdings, was eine Drohkulisse überhaupt noch wert ist, wenn die Verwirklichung der Drohung selbst in den eigenen Reihen nicht mehr als realistisches Szenario erscheint. Im Moment jedenfalls scheint es, als stabilisiere die SPD mit ihrem schlecht begründeten Anspruch auf das Kanzleramt mehr die gegnerische Aspirantin als die eigene Partei. RALPH BOLLMANN