Einkaufen im Winter kann ganz schön gefährlich werden
: Eiskalt und überhitzt

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Es mag am Alter liegen, dass mir mittlerweile so deutlich auffällt, wenn ich zwischen die Fronten von Wetter und Einzelhandel gerate. Das Wetter: eiskalt. Der Einzelhandel: überhitzt.

Jedenfalls stand ich kürzlich in einem H&M am Stadtrand und wurde nervös. Nervös, weil ich nur schnell was besorgen wollte und mich nicht zurechtfand. Nervös, weil die Raumtemperatur in dem Laden bei rund 60 Grad lag und ich den Außentemperaturen entsprechend meinen wärmsten Mantel, die Lammfell-Schuhe und meine Mütze angezogen hatte.

Die Mütze riss ich mir vom Kopf, als die Schweißperlen auf meine Stirn traten. „Entschuldigung“, fragte ich eine Verkäuferin, „wo ist denn die Herrenunterwäsche?“ Ich öffnete den Reißverschluss meiner Jacke.

Ich stand vor einem Regal mit vielen Unterhosen in Plastiktüten, als der Schweiß anfing, mir den Rücken hinunterzulaufen. Ich brauchte Größe 6 und sah nur die Angaben S, M und L und so. Also fing ich das Suchen an: Erst auf den Packungen, dann an den anderen Ständern. Ich fand meine Größe nicht. Mein Rücken war nassgeschwitzt.

Ich fragte die Verkäuferin an der Kasse. Während ich mir den Schweiß von der Stirn wischte, hielt ich ihr eine 3er-Packung Unterhosen der Größe M hin und sagte durchaus freundlich: „Ich kann mit der Größe M nichts anfangen. Ich bräuchte Größe 6.“ Die Verkäuferin sagte: „Aha. Und wir können mit der Größe 6 nichts anfangen.“ Zwischen meinen Füßen bildete sich eine kleine Schweißpfütze, T-Shirt, Pullover und Winterjacke waren durchgeschwitzt.

Die Verkäuferin machte mich kurz sprachlos, ich dachte, in diesem Laden arbeiten Profis, da hatte ich mich getäuscht. „Hm“, sagte ich, „können Sie die Unterhosen auspacken, dann kann ich sie mir anschauen. Vielleicht hilft mir das weiter.“ Wenig begeistert packte die Verkäuferin die Unterhosen aus und legte sie vor mir hin. Meine Jeans klebte an den Beinen.

Die Größe der Unterhosen einzuschätzen fiel mir schwer und das sagte ich der Verkäuferin. „Sie können sie ja mit nach Hause nehmen und über anderer Unterwäsche anprobieren und wenn sie nicht passt, dann tauschen Sie sie wieder um.“ Während sie das sagte, fing ich an zu schrumpfen. Meine Füße, meine Unterschenkel, alles schmolz weg, zerfloss und bildete eine dunkelblaue Pfütze aus Haut, Knochen und dem Leder meiner Winterschuhe.

In der Abwärtsbewegung sagte ich zu der Verkäuferin: „Das mit dem Zu-Hause-Anprobieren geht nicht. Da müsste ich ja, wenn’s schlecht läuft, nochmal herkommen. Und das …“ Die letzten Worte brachte ich nicht mehr über die Lippen. Mit Grauen schaute ich auf die Pfütze, die mal mein Körper war.

Die Verkäuferin stöhnte. „Schon wieder einer, der nur Dreck macht“, sagte sie. Dann setzte sie mir eine Thermo-Mütze auf, schaute mich mit mitleidigen Augen an und wartete, bis der Spuk vorbei war.