LeserInnenbriefe
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Ignoranz der „Exzellenzen“

betr.: „Neoliberale dominieren die Lehrstühle“, taz vom 30. 11. 16

Ulrike Herrmanns zutreffende Bestandsaufnahme zum Zustand der Lehre in den ökonomischen Studiengängen füge ich zwei Aspekte hinzu:

Erstens: Die Neoklassik kann in den Lehrbüchern nur deshalb als „gesichertes“ ökonomisches Wissen auftreten, weil im Studium selbst keine Theoriegeschichte der Disziplin vermittelt, geschweige denn kritisch im Lichte der Gegenwart diskutiert wird. Die Studierenden lernen nicht, konkurrierende Ansätze zu beurteilen, und wachsen in einem geistigen TINA-Milieu auf: There Is No Alternative. Über die politischen Folgen brauchen wir uns nicht zu wundern.

Zweitens: Im internationalen Vergleich ist an den deutschen Universitäten die Ökonomie als Wissenschaft besonders starr auf die Neoklassik fixiert und entzieht sich damit weitgehend dem wissenschaftlichen Streit – so kam die Anfälligkeit der Wirtschaft für Finanzkrisen in den einschlägigen Lehrbüchern nicht vor. Eines der wenigen volkswirtschaftlichen Lehrbücher, in dem konkurrierende Theorien vergleichend dargestellt sind, haben die Fachhochschulprofessoren Michael Heine (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) und Hansjörg Herr (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) geschrieben. Hier ist die klassische Ökonomie und deren Kritik durch Marx ebenso berücksichtigt wie der Keynesianismus und die Neoklassik in ihren Varianten. Man sieht: „Exzellenz“ kann an den Wirtschaftsfakultäten der Universitäten auch mit Ignoranz einhergehen. ulf kadritzke, Berlin

Neoliberalismus ist Glaubenssache

betr.: „Neoliberale dominieren die Lehrstühle“, taz vom 30. 11. 16

Erstaunlich seit Jahrzehnten: Die Absolventen dieser neoklassischen Volkswirtschaftslehre treffen später oft beim Marketing mit Marktforschern und Werbefachleuten zusammen, um neue Kampagnen zu entwickeln. Spätestens dann wird klar, dass es den Homo oeconomicus nicht gibt. Weil auch Kaufentscheidungen weniger von rationalen als mehr emotionalen Motiven beeinflusst werden. So ist Neoliberalismus wie Religion also Glaubenssache – hat nichts mit Ratio zu tun.

Theo Krönert, Kaisersbach

Umdeutung eines Begriffs

betr.: „Studie: Die Internationale der Ängstlichen befördert die Populisten“, taz vom 1. 12. 16

Globalisierung – wird da ein Begriff umgedeutet? Bis letzte Woche war „Globalisierungskritik“ ein linkes Thema. Occupy und so. Nach dieser Studie sind es auf einmal vor allem Ältere mit niedriger Bildung, „die mit rechtsnationalen und populistischen Parteien sympathisieren“, die Furcht davor haben?!

Mit Umfragen und Statistik kann man eben alles belegen.

Ulrike Nehls, Reutlingen

Prinzip Doppelspitze

betr.: „Rot-Rot-Grün: Kann das klappen?“, taz vom 3./4. 12. 16

Sahra Wagenknecht ist Co-Fraktionsvorsitzende, Cem Özdemir Co-Parteivorsitzender. Trotzdem werden beide (nicht nur in eurer) Berichterstattung regelmäßig als „Parteichefin“ oder „Parteichef“ bezeichnet. Das Konzept der Doppelspitze gehört in beiden Parteien zu den grundständigen Prinzipien. Es stellt aus meiner Sicht eine wichtige Weiterentwicklung der in anderen Parteien praktizierten Führungskultur da. Umso mehr jetzt, wo in der Politik und anderswo oft Inhalte zugunsten vermeintlicher Charaktere hintangestellt werden. Bitte macht zumindest ihr einen Unterschied und nehmt euch die Zeit/den Platz für die richtige Bezeichnung. Claudia Hoell,Burgkirchen

Ruchloses Vorgehen

betr.: „Kinderarbeit für Eiscreme“, taz vom 1. 12. 16

Zu diesem Artikel möchte ich an das umfangreich recherchierte Buch von Kathrin Hartmann, „Aus kontrolliertem Raubbau“, erinnern, das 2015 erschienen ist und klar macht, wie wir und unsere Konzerne die Erde zu unserem momentanen Vorteil kolonisieren und zerstören. Wilmar, Unilever und der WWF werden wegen ihres ruchlosen Vorgehens angeprangert. Für uns in Deutschland noch belastender als die Vertreibung und (praktische) Versklavung der indigenen Bevölkerung ist die Verwendung des Palmöls als Zusatz zum Dieselöl. Nicht nur werden Tiere und Menschen durch Vernichtung von Urwald vertrieben. Nein, wir betreiben von Regierungsseite Schönfärberei, wenn Palmöl mehrfach (beim Abbrennen des Urwalds sogar vielfach) umweltschädlicher ist als herkömmlicher Dieseltreibstoff, und obendrauf kommt noch die Betrügerei der Autoindustrie beim Schadstoffausstoß, die von Regierungsseite toleriert oder sogar durch Nichtstun gefördert wird und die Umweltbilanz noch höher belastet.

Jürgen Weinert, Birkenwerder

Verrückter Tyrann gestürzt

betr.: „Diktatorischer Präsident gesteht Niederlage ein“, taz vom 3. 12. 16

Und nun hat es das kleine Gambia der Welt gezeigt:

Während nahezu alle Welt dazu tendiert, unberechenbare Psychopathen in höchste Ämter zu wählen, haben die gambischen Wähler einen verrückten Tyrannen durch einen seriösen Politiker ersetzt. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Zukunft. Frank Stenner, Cuxhaven