17.000 Beteiligte bei Mord in Srebrenica

Eine Kommission der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina übergibt eine Liste mit den Namen von Personen, die 1995 an dem Massaker teilgenommen haben sollen, an das neu geschaffene Kriegsverbrechertribunal in Sarajevo

Die Existenz der Republika Srpska steht jetzt aufdem Spiel

AUS SPLIT ERICH RATHFELDER

In der Nacht zum Mittwoch gab es in Sarajevo eine Sensation. Eine Kommission der Regierung der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina übergab an das neu geschaffene bosnische Kriegsverbrechertribunal in Sarajevo eine Liste mit 17.074 Namen. Es handelt sich dabei um Personen, die in irgendeiner Weise an dem Massaker an der muslimischen Bevölkerung von Srebrenica 1995 beteiligt gewesen sein sollen. Auf der Liste stehen Namen von Angehörigen des Verteidigungs- und Innenministeriums sowie der Armee der serbischen Teilrepublik, der Armija Republike Srpske, also all der Leute, die die Verbrechen befohlen und durchgeführt haben sollen. Die Namen werden noch nicht veröffentlicht, um die anlaufenden Ermittlungen der Polizeibehörden nicht zu gefährden. Insgesamt sollen 19.500 Personen an dem Massenmord beteiligt gewesen sein.

Damit hat die Führung der serbischen Teilrepublik in Banja Luka eine Forderung der Opferverbände und der Institutionen der internationalen Gemeinschaft erfüllt. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, erklärte, die Regierung in Banja Luka sei endlich ihren Verpflichtungen nachgekommen. Sie sollte die Liste aber auch an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag übergeben.

Ganz ohne Hintersinn ist die Aktion der serbischen Führung nicht. Die Übergabe der Namenslisten ist zeitlich genau kalkuliert. Am Wochenende wird die PIC, die Friedensimplementierungskonferenz, an der über 50 Staaten und internationale Organisationen beteiligt sind, zusammentreten, um über das weitere Schicksal Bosnien und Herzegowinas zu beraten. 10 Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton mehren sich nämlich die Stimmen, die eine Revision der Verfassung des Landes fordern.

Bei der bisherigen Verfassung handelt es sich um den Anhang IV des Abkommens, das zwar den Krieg beendete, jedoch einen sehr komplizierten Staatsaufbau hinterließ. So ist der Zentralstaat schwach gehalten, die Macht liegt bei den so genannten Entitäten, der Republika Srpska und Bosniakisch-Kroatischen Föderation, die nochmals aus 10 Kantonen besteht. Die so aufgeblähte Bürokratie mit ihren 180 Ministern verbraucht mehr als 70 Prozent des Steueraufkommens. Deshalb fordern immer mehr Menschen in Bosnien und den internationalen Institutionen, die Entitäten und Kantone abzuschaffen und den Zentralstaat zu stärken. Nur so könne auch ein Weg in die EU gefunden werden.

Die Existenz der Republika Srpska steht also auf dem Spiel. So ist die Übergabe der Liste ein Versuch, der zeigen soll, dass die Serben bereit sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Ashdown versuchte in den letzten Monaten mit mehreren Initiativen, den Zentralstaat ohne Verfassungsänderungen zu stärken. So wurde durch die Verteidigungsreform aus den drei Armeen der Volksgruppen eine gemeinsame Truppe geschaffen. Die Polizeireform wurde allerdings von der Republika Srpska blockiert. Denn mit einer einheitlichen Polizei bräche auch ein wesentlicher Machtfaktor für die herrschenden Nationalisten weg. Mit der ohnehin überfälligen Liste der Beteiligten an dem Verbrechen in Srebrenica soll gute Stimmung gemacht werden, um eine Verfassungsreform zu verhindern.

Für Miso Vidović, bekannter Journalist aus Banja Luka, ist die Republika Srpska jedoch nicht mehr zu retten: „Sie existiert schon gar nicht mehr. Die Polizeireform wird ohnehin durchgesetzt, die Republika Srpska hat keine Armee mehr und die wichtigsten Personen der Armee, des Polizeiapparates und der Verwaltung sind mit Posten im Zentralstaat abgefunden worden.“