KURZKRITIK: „DIE SCHNITTIGE MENGE“ AUF KAMPNAGEL
: Tanz das Immergleiche

Sechs mal vier Meter. So groß ist, das will die Werbeagentur Jung von Matt herausgefunden haben, das normale deutsche Wohnzimmer. Davon ausgehend hat die Choreografin Gudrun Lange „Die schnittige Menge“ entwickelt: Ihr ideales Wohnzimmer lässt sie von einer idealen Kleinfamilie mehr benutzen als bewohnen: zum Fernsehen, Musikhören oder Spielen. Ab und zu hat man ein ernstes Gespräch zu führen oder verabredet sich zum Sex, zu dem es aber nicht kommt.

Anfangs ist da nur ein Grundriss, weiße Linien auf schwarzem Bühnengrund. Die drei Darsteller – neben Lange selbst Jo Kappl und Markus Pendzialek – treten auf, in das Rechteck und wieder hinaus und sagen Zahlen auf: „Nullkommasechs, nullkommavier, eins.“ Vielleicht ein Spiel, vielleicht Statistik. Kappl baut einen hässlichen Glastisch zusammen, schlingt sich geradezu hinein – wie ein Liebender? Oder wie einer, der sich, sagen wir, in Stacheldraht verfangen hat, beim Versuch hindurchzukommen?

Wen der Darsteller dabei verkörpert, ist unklar: Auch später permutieren die drei Rollen – Vater, Mutter, Kind – durch die drei Schauspieler: Da gibt die Frau den Sohn, der jüngere Mann den älteren, und gleich darauf ist alles wieder ganz anders. Irgendwann rochieren sie durch die apricotfarbene, furnierte Wohnlandschaftsscheußlichkeit, und jeder darf mal vor der Stereoanlage sitzen und, nun ja, abhotten – zum selben Grönemeyer-Lied wie die anderen.

Es ist das Immergleiche, das hier in Szene gesetzt wird, getanzt, zerlegt und wieder zusammengesetzt: „Soll ich ein Taxi rufen?“, fragt einer, und die andere: „Das müssen wir unbedingt mal wieder machen!“, und man weiß nicht, ob man sie beneiden soll, die auf der Bühne. Und gegen Ende gibt‘s Knabberzeug. ALDI

heute und Samstag, 20 Uhr, Kampnagel