„Heiteres aus der Orgelszene“

LAUT UND LEISE Verdens Kirchenmusikdirektor Tillmann Benfer erklärt die Ähnlichkeit von Dom und Disko und warum er am Mittwoch kein Tedeum gespielt hat – obwohl ihm das Landgericht die Lizenz zum Orgeln erteilt

■ Kirchenmusikdirektor zu Verden, seit 2005 Professor an der Hochschule für Künste Bremen.Foto: privat

taz: Herr Benfer, nach dem Urteil am Mittwoch haben Sie erstmal ein Tedeum gespielt, stimmt’s?

Tillmann Benfer: Nein, das war kein Triumph. Erleichterung, klar. Aber kein Anlass, sich hinzusetzen und erstmal alle Register zu ziehen.

Wenn Sie von Erleichterung sprechen, heißt das das Verfahren hat Sie belastet?

Belastet geht zu weit. Allerdings, wenn ich weiß: Draußen will jemand den Dom zum Schweigen bringen und fühlt sich belästigt, wenn ich spiele, übe oder unterrichte – dann fühle ich mich nicht mehr so frei. Es geht mir ja nicht darum, jemandem auf den Wecker zu gehen.

Naja, wenigstens nachts könnten Sie dann ja …

… ab spätestens 22 Uhr ist hier Schluss – außer in der Osternacht und an Heiligabend. Auch wenn ich neben eine Disko ziehe, muss ich mich auf entsprechende Gepflogenheiten einstellen – und kann nicht erwarten, dass es abends ganz still ist. Zum Glück hat das Landgericht bestätigt, dass Kirchenmusik an einem Ort wie dem Dom zu Verden ortstypisch und zu tolerieren ist.

Warum spielen Sie denn immer so deprimierendes Zeug, wie die Klägerin behauptet?

Das ist doch gar nicht wahr, das ist ja auch so ein Punkt. Es kommt immer das ganze Repertoire vor, von Buxtehude bis Boogie-Woogie. Eine unserer CDs heißt Ohrwürmer, Untertitel: Heiteres aus der Orgelszene.

Nun kommt selbst in der Bibel Musik auch als Waffe vor…

Die Trompeten von Jericho, sicher: Kein Musiker bestreitet, dass Musik hören nicht immer die reine Freude ist. Es würde auch niemand im vollen Werk schwierige Passagen üben. Das macht man mit einer ganz leisen Registrierung.

Welche benutzen Sie?

Meistens acht Fuß gedackt.

Acht Fuß, also in der Klavier-Lage und gedackt: durch einen Deckel gedämpft?

So ist es.

Und das Schwellwerk – zu, also die Pfeife hinter so einer Art geschlossener Tür in der Orgel?

Das kommt aufs Instrument an. Die eine hat kein Schwellwerk, und die große romantische Orgel von Furtwängler und Hammer zwei.

Wie alt ist die?

Die ist 1916 erbaut und unverändert erhalten…

ach so. Ich dacht’ bloß: Die Klägerin wohnt seit 37 Jahren nebenan, und plötzlich kommt’s zum Streit, vielleicht hat sich das Repertoire geändert, …

Nein, wirklich nicht, ich bin seit 19 Jahren hier Kantor und habe nie exklusiv nur eine Seite des Repertoires gepflegt. Das tue ich auch jetzt nicht.

„Es sind einfach zu viele wirklich schöne Register“

Tillmann Benfer, Organist

Wie jetzt – Sie hätten keinen Hang zu all diesen romantischen Boëllmanns und Viernes?

Wenn man so eine Orgel hat, spielt die romantische Literatur auch eine große Rolle. Wenn wir entsprechende Konzerte veranstalten, reisen Fachleute aus der ganzen Region an, um das an diesem authentischen Instrument zu hören. Wir hatten hier einmal eine Reihe mit Charles Marie Widors Orgelsymphonien…

Alle zehn?

Ja. Aber das liegt auch schon wieder Jahre zurück. Und diesen Sonntag spiele ich Bach.

Welches ist denn an der romantischen Orgel Ihr Lieblingsregister?

Wir haben da eine wunderschöne Zartflöte, und eine Klarinette auf dem zweiten Manual. Und dann ist da der Kontrabass im Pedal. Und… – ich möchte auf keins verzichten. Es sind einfach zu viele wirklich schöne Register.

INTERVIEW: BES

Dom zu Verden, Kunst der Fuge, Sonntag, 17 Uhr