LeserInnenbriefe
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Menschen ernst nehmen

betr.: „Mehr Zusammenhalt wagen“ von Jürgen Trittin,taz vom 29. 11. 16

Der Autor will also einen neuen Gesellschaftsvertrag und setzt als Hintergrund seiner Forderung, dass Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Verlogenheit zu Trumps Wahlerfolg geführt hätten. Vor seiner weiteren Analyse nutzt er sein Wir als Ursache von Fehleinschätzungen: wessen Überheblichkeit, wessen Unterschätzen des „Ausmaßes der Wut und Verbitterung in unseren Gesellschaften“? Im Weiteren hält er das postfaktische Links-rechts-Schema aufrecht. Wer in Europa die Menschen ernst nimmt, registriert, dass die Individualisierung und Entsolidarisierung auch europaweit durch die Mainstream-Parteien von immer mehr Wählern ad absurdum geführt wird.

Überall werden immer mehr Menschen bestenfalls einfach nur alimentiert und bleiben ohne jegliche Perspektive, während Industrie, Kapital und die politische Klasse so abgehoben eigensinnig handeln, dass sie perspektivisch ihre Interessen verfehlen. Das Wir muss wieder für alle Menschen, ihr Recht auf Leben in Würde, Freiheit – auch des Reisens und der Wahl des Wohnorts – sowie auf das Streben nach Glück gelten. Neue Strom-, Gas- und Datenleitungen und der Umbau der Industriegesellschaft verhindern keine weiteren „sozialen Verwerfungen“. Entstanden sind sie zum Teil aus der Verlagerung des Fokus vom Menschen auf die wirtschaftlichen Belange. Diese erweitern sich derzeit durch politische Entscheidungen noch immer. Wir brauchen ein Wir, das alle mitnimmt, den Menschen in den Mittelpunkt stellt und die Interessen des Kapitals den Menschen, dem Wir dienen lässt. Dieses Wir kann zunächst nur „politisch gewollt, von ‚oben‘“gefördert werden. ROLF SCHEYER, Köln

Argumentation überzeugt nicht

betr.: „Es gibt nicht weniger Wettbewerb“, taz vom 29. 11. 16

Die Argumentation von Liam Condon kann nicht überzeugen. Zum einen ergibt sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis, das ein Konzern wie Monsanto insbesondere gegenüber kleineren bäuerlichen Betrieben in der Dritten Welt schafft, doch ein soziales Problem, da monopolistische Strukturen durch ihre einseitige Machtverteilung niemals zu fairen Preisen, wie etwa auf freien Märkten, führen. Zum anderen muss der These, dass ein radikales Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat angeblich Mensch und Natur dienen würde, stark widersprochen werden, da eine nachhaltige Landwirtschaft vor allem eine ausreichende Biodiversität erfordert, wie es zum Beispiel auf der Expo 2015 in Mailand unter dem Titel „Feeding the Planet, Energy for Life“ in vielen wissenschaftlichen Beiträgen deutlich herausgearbeitet wurde. Deshalb sollte man in Leverkusen etwas (selbst-)ehrlicher mit der Fusion umgehen, zumal es weiterhin kritische Fragen aufwirft, dass beide Unternehmen zum Teil über dieselben Anteilseigner verfügen! RASMUS PH. HELT, Hamburgl

Zweierlei Maß

betr.: „Fidel Castro ist tot“, taz vom 28. 11. 16

Wer Castro feiert, vergisst, dass er ein Diktator war, wer ihn verteufelt, aber auch, dass er Kuba aus den Fängen der US-Mafia, dem Raffzahn Batista und der USA befreit hat, für die Kuba ein Zockerparadies und Bordell war. In Havanna tobte das Leben, und überall hungerte das Volk. Es ist schon bemerkenswert, wie viele Konservative gerade in den USA Castro verdammen, aber ihre zum Teil direkte Hilfe bei faschistischen Machtergreifungen in Mittel- und Südamerika komplett vergessen. Außerdem, wann wurde das Steuerparadies Panama für die weite Armut und ungerechte Vermögensverteilung im Land so kritisiert wie Kuba? Vergessen wird auch das gute staatliche Gesundheitssystem in Kuba, die humanitäre Hilfe Kubas über Jahrzehnte in Afrika, zuletzt bei der Ebola-Epidemie und die klare Kante gegenüber der Apartheid in Süd- und Südwestafrika. MARKUS MEISTER, Kassel