Ständig nervt ein neues Elektrogerät mit einer Push-Nachricht. Nicht mal auf dem Kindergeburtstag ist man sicher: Wer hat Angst vor Donald Trump?
So nicht Doris Akrap
Nachrichten nerven. Immer. Jedenfalls dann, wenn nicht irgendwo korrekte Revolution, korrekter Aufstand oder korrekte Niederlage ist. Die Kopfhörer können gar nicht fett genug sein, um den Benachrichtigungswahnsinn von Autobahnsperrungen über Koalitionsverhandlungszwischenstände und anschwellenden Dorfbächen abzuschirmen.
Immer schleicht sich irgendwo eine Push-News rein. Ständig macht sich irgendwo irgendein Digitalgerät wichtig und brüllt Nachrichten wie „Flugzeug pünktlich gelandet“ durch die Gegend.
Und weil ständig neue Geräte auflaufen und man bei keinem neu erworbenen Gegenstand und sowieso bei nichts mehr, was man sich aus dem Internet runterläd, sicher sein kann, dass es keine integrierte Nachrichtenfunktion hat, schlägt mal der neue Wecker, mal die neue E-Zigarette und mal der neue Schnellkochtopf mitten in der Nacht Alarm, weil man die Einstellungen zum Ausstellen automatischer Benachrichtigungen noch nicht gefunden hat.
Selbst, wenn man denkt, man könnte mal kurz einen auf Eskapismus machen und einen Kindergeburtstag besuchen, wird man mit Kram konfrontiert, der sich aufspielt, als wäre er eine Tsunamiwarnung: „Die Reise nach Jerusalem“ oder „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“. In aufgeklärten Elternhäusern haben diese Spiele freilich schon längst Namen wie „Stuhlpolka“ oder „Wer hat Angst vorm weißen Hai“? Aber spätestens hier merkt man, die keimfreie Pädagogik ist auch keine befriedigende Lösung.
Die „Reise nach Jerusalem“ spielt ja auf verschiedene Nachrichtenlagen an: die Kreuzzüge, deren Teilnehmer auf dem Weg nach Jerusalem zahlreich hingemetzelt oder an anderem Unbill verstorben sind. Andere wiederum glauben, dass das Spiel zu Zeiten der zionistischen Migration nach Palästina entwickelt wurde oder in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als die überlebenden Juden des Holocaust auf völlig überladenen Schiffen Richtung Jerusalem auswandern wollten, was aber die britische Militäradministration verhindern wollte und die Flüchtlingsschiffe mit einer Seeblockade vor Palästina am Ankommen hinderte.
Es verwundert schon, dass die Spiele nicht längst in „Die Reise nach Europa“ oder „Wer hat Angst vorm weißen Mann?“ oder gleich „Wer hat Angst vor Donald Trump?“ geändert wurden. Hat Flow. „Und wenn er kommt?“ „Dann laufen wir.“
Wahrscheinlich spielt man auf Schulhöfen auch statt Gummi- längst Ladekabeltwist und statt Schnitzel- längst Smartphonejagd.
Ich würde gegen das Benachrichtigungs-ADS aber weiterhin Dosenlaufen empfehlen. Dosenpfand hin oder her. Dann muss man halt mal für die 2.800g-Dose „Erasco-Hühnernudeltopf. Mild gesalzen. Mit natürlicher Hühnerbrühe“ in wilde Gegenden fahren, wo es noch Supermärkte gibt, die diese Ware führen.
Man kann aber auch einfach weiter Sackhüpfen. Ist für den Weltfrieden wahrscheinlich das allerbeste. Denn noch kann man Säcke finden, die ohne integrierte Rentendiskussionsstandbenachrichtigungapp geliefert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen