Berliner Szenen: Alte und neue Birnen
Wie Waffeleisen
Als Reaktion auf die Wahl in Amerika bin ich endlich zu einem Ökostromanbieter gewechselt und habe zudem meine erste Energiesparlampe angeschafft (um dann festzustellen, dass sie zwar von einer deutschen Firma kommt, aber „Made in PRC“ ist, also aus China stammt). Ich hatte ja vor ihrem Verbot noch rechtzeitig zwei Dutzend 60-Watt-Birnen gehortet, um möglichst lange nicht auf mein gewohntes Licht verzichten zu müssen, jetzt kommen sie mir vor wie ein Schrank voller überflüssiger Waffeleisen.
Ich habe auch ungefähr eine Stunde nach einem Energieverbrauchsmessgerät recherchiert, ohne mir aus den Kundenrezensionen im Internet ein Urteil bilden zu können. Einen Kunden störte an einem Gerät die englische Bezeichnung: „Wir sind hier in Deutschland!“ Manche schrieben lange fachmännische Rezensionen; offenbar gibt es Männer, die viel Zeit damit verbringen, zu Hause mit von der Arbeit ausgeborgten Profigeräten auf die Kilowattstunde genau den Jahresstromverbrauch ihrer Festplatte bei runtergefahrenem Computer zu messen.
Ich habe als Student auch immer meinen Zählerstand abgelesen und die Ergebnisse sogar in eine Kurve auf Millimeterpapier übertragen, das ich noch aus der Schule hatte. Im Winter stellte ich den Kühlschrank aus, weil die Küche ohnehin unbeheizt war. Ich wollte um jeden Preis meine Abschlagszahlung senken. Wenn am Ende des Jahres der Bescheid kam, und ich der Bewag wieder 1–2 Mark im Monat abgerungen hatte, war das immer ein Fest.
Weil ich ihre Einkaufsliste vergessen hatte, musste ich aus dem Drogeriemarkt meine Freundin anrufen und habe dann doch nicht an die Oliven gedacht. Die unbenutzte Einkaufsliste, die zu Hause noch in der Küche lag, habe ich aufgehoben, es hatte ja Mühe gemacht, sie zu schreiben.
Jochen Schmidt
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