Während die Bionic Ghost Kids mit Vampiren kämpfen, machen Expatriate soliden Gitarrenrock

Zu des Rezensenten liebsten Pläsierchen gehört die Suche nach den Wurzeln von Musik. Die werden gern in der Biografie der Musikanten verortet. Wenn sich diese allerdings hinter Masken und erfundenen Identitäten verstecken, wie die Bionic Ghost Kids das tun, lässt sich nur spekulieren. Hört man aber „Horrorshow“, das dritte Album des Berliner Duos, muss einem angst und bange werden: Chris Raven und CJ The Ghost Kid, so die Pseudonyme der beiden, müssen ihre Kindheit ausschließlich mit Horrorfilmen, lauter Musik und allem anderen, das zum moralischen Niedergang der Jugend beiträgt, verbracht haben. Denn selten zuvor wohl wurde so systematisch zusammengeführt, was möglichst unverhohlen Krach macht. Mit hysterisch übersteuerten Frauenstimmen und dumm bratzenden Billigbeats klingen die Bionic Ghost Kids mal wie Scooter, nur um im nächsten Moment mit knarzenden Gitarren Nine Inch Nails zu zitieren. Der perfekte Soundtrack für eine Reise zum Ballermann, aber zwischen Death-Metal-Gekreische, Tanzbodenzerstörung und auch sonst allem, was lärmig und billig ist, bleibt mit „Delusion“ sogar noch Platz für eine kitschige Ballade, die sich natürlich auf Klavier und Cello stützt. Doch die Genres mögen unterschiedlich sein, die Herangehensweise ist stets dieselbe: nämlich plakativ und ausschließlich darauf bedacht, keinerlei Zwischentöne zuzulassen. Umso mehr Mühe verwenden die Bionic Ghost Kids auf die Ergänzung der Musik: Die Auftritte geraten zu farbenprächtigen Inszenierungen, Chris Raven und CJ The Ghost Kid sind Protagonisten ihres eigenen Comics, und auch „Horrorshow“ ist wieder ein Konzeptalbum. Diesmal treten die beiden im Berlin der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts zum Kampf gegen Armeen aus Vampiren, Killerspinnen und sonstigen sympathischen Tierchen an.

Die Wurzeln von Expatriate liegen weit offener zutage. Heißt die Band doch so, weil die Kindheit von Sänger Ben King durch Umzüge zwischen Australien und Indonesien strukturiert wurde und Drummer Chris Kollias als Kind griechischer Einwanderer auf dem fünften Kontinent aufwuchs. Zu hören sind diese Hintergründe auf dem Debütalbum, „In The Midst Of This“, des aus Sydney stammenden Quartetts allerdings nicht: Expatriate spielen einen heutzutage bereits klassisch zu nennenden, leicht melancholischen Indie-Rock aus stimmigen Gitarrenriffs, druckvoller Schlagzeugarbeit und eingängigen Refrains mit einem Hang zum Pathos, der zum Sprung in die Pop-Charts bereitstünde, wenn dort The Killers nicht alles blockieren würden. Zum Abschluss des Albums werden in „Are You Awake?“ in aller epischen Alarmgitarrenbreite sogar noch U2 nachgestellt. Nein, Weltmusik ist das nicht, eher klingt der auffällig austarierte Gitarrenrock verstärkt nach Seattle, wo das Album schon vor drei Jahren aufgenommen wurde. In Australien war „In The Midst Of This“ 2007 bereits ein bescheidener kommerzieller Erfolg, jetzt erscheint es hierzulande. Denn schon 2008 hat die Band in Berlin Wurzeln geschlagen. THOMAS WINKLER

■ Bionic Ghost Kids: „Horrorshow“ (GIM/Intergroove), Record Release Party, 21. 11., Lovelite

■ „In The Midst Of This“ (PIAS/ Rough Trade), am 22. 11., Arena, Vorband von Placebo