LeserInnenbriefe
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Viele dumme Menschen

betr.: „Fragt mich nicht, wie Auschwitz war“, taz vom 23. 11. 16

Das Interview mit Renate Lasker-Harpprecht macht mich sehr nachdenklich, nein, es bestätigt die dumpfen Gefühle, die schlimmsten Befürchtungen der letzten Zeit. Gerade noch das letzte Kapitel der wunderbaren Autobiografie W. Michael Blumenthals gelesen, der, gerade noch rechtzeitig aus Nazi-Deutschland geflohen, in der Nachwendezeit ein verändertes Land beschreibt, in dem ein Abwenden von Demokratie, ein Fremdenhass und Rassenwahn der 30er nicht mehr möglich schien, und jetzt diese warnenden Worte! Das eigentlich Schlimme an der Wahl Trumps ist die darin enthaltene Warnung, dass dies ohne Weiteres auch hier passieren kann. Frauke Petry als Kanzlerin: keine abstruse Unmöglichkeit mehr, sondern mit aller Kraft zu verhinderndes Zukunftsszenario. Schon würden in Sachsen 25 Prozent die AfD wählen, schon ziehen sächsische CDU-Politiker eine Koalition in Betracht (zugegeben: Etwas Schlimmeres und politisch Unfähigeres als die sächsische CDU gibt es nirgends). Und leider, ach leider scheint auch am Fazit des Interviews, nicht vorbeizusehen, möglich: Es gibt so unfassbar viele dumme Menschen! JAN MICHEL HORSTMANN, Radebeul

Mutige Person fehlt

betr.: „Die Abgekanzelten“, taz vom 22. 11. 16

Die Furcht von SPD und (Bündnis-)Grünen führt in eine falsche Richtung. Zum einen spricht die von der CDU für ihre Kampagne gewählte Werbeagentur dafür, dass die Hauptgefahr für die anderen Parteien bei der nächsten Bundestagswahl wie schon 2013 eher von einer entpolitisierten Debatte ausgeht, bei der vor allem der Personenkult im Mittelpunkt steht. Zum anderen handelt es sich bei der sogenannten asymetrischen Demo-Mobilisierung im linken Lager um nicht mehr als eine geschickte, aber leere Inszenierung, da Angela Merkel mit ihrer konkreten Politik wie etwa bei den zahlreichen Ausnahmen (Mindestlohn und Mietpreisbremse sowie des Ausbremsens des Klimaschutzes insbesondere bei der Automobilindustrie) das ziemlich genaue Gegenteil von sozialen und ökologischen Überzeugungen repräsentiert. Deshalb fehlt hier nur die mutige Person, die den Trugschluss enthüllt und die Wahrheit ausruft!

RASMUS PH. HELT, Hamburg

Nötige Mittel fehlen

betr.: „SPD will sich wieder unterscheiden“, taz vom 22. 11. 16

Das Problem mit den Investitionen ist etwas komplizierter. Die Länder und Kommunen konnten nämlich einen Großteil der Investitionsmittel gar nicht abrufen, weil durch die forcierten Sparzwänge der vergangenen Jahre Personal abgebaut werden musste, das nun fehlt, um entsprechende Vorhaben zügig zu planen und auszuführen. So sei – nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung – die Zahl der Beschäftigten im kommunalen Bauwesen zwischen 2011 und 2013 um 15,4 Prozent zurückgegangen. Entsprechend haben auch die Wirtschaftsbetriebe ihre Investitionen zurückgefahren und stoßen jetzt an Kapazitätsgrenzen. Da ist es eher zynisch, wenn Finanzminister Schäuble, auf fehlende Investitionen in Deutschland angesprochen, verkündet, in den Ländern und Kommunen sei man bei der Umsetzung der Investitionen eben „ein bisschen langsam“.

Zu Investitionen gehört auch, dass Städte und Gemeinden die nötigen Mittel erhalten, um qualifiziertes Personal durch angemessene Bezahlung einstellen zu können. Derzeit ist jedoch der öffentliche Dienst nach Ansicht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nicht in der Lage, „konkurrenzfähige Gehälter zu bieten“. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Eine honorige Einstellung

betr.: „Vorsicht, Anbiederung!“, taz vom 23. 11. 16

Heute Morgen las ich den völlig zutreffenden Kommentar von Ingo Arzt über das pazifische Freihandelsabkommen TPP. Darunter fand sich der herausgehobene Satz „Globalisierungskritiker denken nicht an die Nation, sondern an die Menschheit“. Gleiches gilt auch für Klima-, Tier- und Artenschützer. Das ist eine überaus honorige Einstellung, für die ich nur werben kann.

Was aber ist, wenn sowohl Demokratie als auch Sozialstaat bis auf Weiteres nur im Rahmen des Nationalstaats zu sichern sind? Aber vielleicht geht es derzeit um die Zuspitzung, an der wir uns nicht vorbeidrücken können: die Menschheit retten – oder die Demokratie –, die ja evolutionsgeschichtlich ein zu vernachlässigendes Element ist. Lebensgeschichtlich aber war und ist das Vorhandensein von demokratischen Strukturen für mich (und vermutlich auch für Sie alle) das A und O.

WALTER GRODE, Hannover