: Auf der Suche nach Sinnstiftung
kunstfilm Die Welt ist ein kalter und leerer Ort in den Videofilmen von Omer Fast. Im Martin-Gropius-Bau hat er sieben Räume eingerichtet. Jeder zweite Raum ist als Warteraum nach einem realen Vorbild eingerichtet
von Katrin Bettina Müller
„Sieben dunkle Räume hintereinander, das wäre zu viel, selbst für meine Mutter.“ Omer Fast lacht bei diesem Gedanken, als er während des Pressetermins zu seiner Ausstellung „Reden ist nicht immer die Lösung“ von der Planung von sieben Räumen für seine Videoarbeiten erzählt. „Da wären die Zuschauer wie Zombies durchgewankt.“ Das Bild scheint ihn tatsächlich zu erheitern. Deshalb habe er zwar wirklich darüber nachgedacht, ein paar als Zombies geschminkte Performer unter die Zuschauer im Martin-Gropius-Bau zu mischen, aber die jetzt gefundene Lösung gefällt ihm eindeutig besser.
Denn jetzt ist jeder zweite Raum als Wartesaal eingerichtet, „mit Sitzen für die erschöpften Besucher“, staubigen Zimmerpflanzen, Wasserspender und Broschüren, die durchaus zum Kontext gehören. Und natürlich auch einem Video, das nun genau dort flimmert, wo auch in den originalen Wartebereichen Bildschirme zu den Kunden und Klienten sprechen.
Wenn Omer Fast über seine Kunst erzählt, ist er sehr witzig. Und überrascht mit Offenheit. „Warten“ gehöre zum Profikünstlerdasein, Warten auf Ideen, die Deadline für die Ausstellung steht, man ist nervös, verzweifelt, deshalb sprechen Warteräume ihn an.
Lange hat der in Israel 1972 geborene Künstler in den USA gelebt, bevor er mit seiner Familie nach Berlin zog. „Trump ist eine Witzfigur“, der würde nie gewählt, so habe er als Amerikaner seine Frau beruhigt, vor der Wahl, erzählt er. Eine falsche Gewissheit, weiß er jetzt.
Aber im Aushöhlen von Gewissheiten, darin ist Omer Fast ein Profi. In seinen Videos arbeitet er sowohl mit Spielfilmformen und fiktiver Narration als auch mit einem dokumentarischen Ansatz. Im ersten Wartezimmer, einer Berliner Ausländerbehörde nachgebaut, läuft „CNN Concatenated“. Dafür hat er 2002 aus CNN-Nachrichten einen neuen Text zusammengebaut, Wort für Wort von einem anderen Kommentator geschnitten. Allein die Sprachmelodie wird zunehmend alarmierend, die Sprechenden verlieren den Boden unter den Füßen, gleiten in Orientierungslosigkeit, „how did we get to this point“. Das Erstaunliche ist, dass man den 14 Jahre alten Text auch als Kommentar auf die Gegenwart lesen kann. Aber nur, wenn man sich der Mühe unterzieht, diesem hektischen Schnittmuster, Wort für Wort von einem kalten Moderatorenraum zum nächsten gesprungen, überhaupt zu folgen.
Der Witz, den Omer Fast im Reden über seine Kunst und sein Leben zeigt, er findet sich in seinen Arbeiten nicht. Ihnen zu folgen ist anstrengend; obwohl die Videos oft 40 Minuten lang sind, setzen sie nicht auf Spannung. Aber Texte und Bilder entfalten ihre Wirkung erst, wenn man über einen längeren Zeitraum dabeibleibt, sich auch durch die Leerläufe quält.
Denn um Leere und um die Suche nach Sinnstiftung geht es auch in Fasts Filmen. Zum Beispiel bei den langen Autofahrten eines mittelalten deutschen Paars in „Continuity“ (von 2012) und „Spring“ (von 2016). Immer wieder fahren er und sie irgendwo auf dem Land zu einem Bahnhof, um einen jungen Mann in Uniform abzuholen. Es ist nicht immer der gleiche Soldat, vielleicht ihr Sohn, vielleicht eine Fiktion, vielleicht ein gemieteter Callboy. Unter dem Weihnachtsbaum erzählt der schreckliche Geschichten vom Einsatz in Afghanistan wie eine lustige Anekdote. Das Paar begegnet ihm einerseits wie einem lange vermissten Sohn, andererseits aber auch sexuell übergriffig. Die Schauplätze in Deutschland und in Afghanistan schieben sich in den Bildern ineinander. Auf obszöne Weise verschieben sich die Emotionen, nutzen den Schrecken und das Grauen des Krieges, um Spannung in die sonst öde Villa des Paars zu bringen.
Dabei werden viele Themen wie Homosexualität, Inzest, Militär, Kriegseinsatz, Orientalismus angespielt, ohne dass eine Perspektive im Blick darauf, eine Haltung dazu in der Erzählweise zu finden wäre. Das kann einen ganz hibbelig machen, unruhig und ablehnend, aber nicht gleichgültig.
Seine dokumentarischen Arbeiten sind mehr wie Porträts angelegt, folgen Pornodarstellern durch ihren Alltag, lassen einen Bestatter und einen Drohnenpiloten erzählen. Interessant wird das oft durch das Divergieren von Text und Bild, wenn zum Beispiel Kinder im Schnee, wie aus einem Weihnachtsfilm, die Sätze über den Umgang mit den Toten nachsprechen und man dabei immer nur die Fußböden im Bestattungsinstitut sieht, aber nie die Toten. Denn so oft sie auch im Spielfilm vor uns auf der Bahre liegen, reale Gestorbene schützen ihre Persönlichkeitsrechte.
Die Ausstellung, die ein Projekt der Berliner Festspiele ist, gehört zu einem programmatischen Schwerpunkt „Immersion“. Gemeint ist das world-building von Künsten, die mögliche Analogie ihrer Welten zu Computerspielen. Es scheint aber, dass dieser theoretische Rahmen für den Blick auf die Filme von Omer Fast nicht sonderlich produktiv ist und den ohnehin nicht einfachen Zugang eher verkompliziert.
Im Martin-Gropius-Bau bis 12. März, Mi.–Mo. 10–19 Uhr
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