Berliner Platte
: Das selbstverliebte Lächeln der Schallplatten

Seidenmatt: „If You Use This Software Often – Buy It“ (Sinnbus/Alive)Record Release: 19. 10., Frannzampl:tude: „Auf Hören“(Sinnbus/Alive)

Sie scheinen weitgehend erforscht, die Welten zwischen Song und Track. Was nicht heißen muss, dass es nicht mehr lohnt, sich dort zu tummeln und überkommene Hörgewohnheiten an den Rändern weiter aufzulösen. Auftritt Sinnbus: Berliner Label, vor allem aber Gemeinschaft aus miteinander befreundeten Bands und Projekten, mal mit Gitarren, selten ohne, mal instrumental, mal mit Gesang. Man nennt sich Torchous, Kate Mosh oder Masonne, möglich scheint, wenn schon nicht alles, so doch allerhand.Flaggschiff der Unternehmung sind, vorerst zumindest, Seidenmatt, die sich auch manchmal SDNMT schreiben. Die haben ihr Debüt-Album vor zwei Jahren mit dem Spruch „Die Indie-Darlings aus Berlin“ beworben. So viel Größenwahnsinn muss sein. Auf dem Nachfolger „If You Use This Software Often – Buy It spielen sie, anders als es der Titel nahe legt, ohne Elektronik und stattdessen in klassischer Besetzung unglaublich entspannte Rockmusik. Nun lassen sie dem Klang allen Raum, den er sich nehmen will, horchen den Harmonien hinterher und folgen ihnen so zögerlich, dass sich manches Klischee wie von selbst verflüchtigt. Im Gegensatz zum Debüt setzen sie diesmal auch Gesang ein, aber nur wie ein weiteres Instrument. Man kann diese, zum Epischen neigenden Stücke aber auch als Abhandlungen über den Sinn und Unsinn von Rock lesen und als Meta-Rock. Postrock wäre noch so ein Schlagwort, und zu den Helden von SDNMT dürften Bands wie Mogwai, Sigur Ros oder Couch zählen. Deren Errungenschaften werden nun ganz selbstverständlich verwendet und aus den Versatzstücken von Rock entsteht so glücklich seine Antithese.Sehr viel leichteren Herzens gehen ampl:tude daran, ähnliche instrumentale Landschaften zu durchschreiten. Ihr ebenfalls zweites Album „Auf Hören“ wurde weitgehend live aufgenommen in der Volksbühne. Es bleibt verträumt stehen und verliert sich bisweilen im reinen Klang. Aber meistens findet man sogar – wenn auch textlose – Songstrukturen vor: Synthesizer erzählen vom Sommer, akustische Gitarren werden gezupft, ein Rhythmus aus einer Maschine knuspert wie ein Eichhörnchen und ein Stück wie „Kwirli“ hört sich tatsächlich so an, wie es heißt: nach Spinett und Barock und auch ein wenig kindlich. Reiche Melodien, große Gesten, Wohlklang: Lieder dann doch wieder. Es ist fast so, als lächle diese Platte ein wenig selbstverliebt und sagte dann spöttisch: Wir stehen so selbstverständlich außerhalb aller kommerzieller Bezugsrahmen, da können uns Klischees ganz wurscht sein. Das Ergebnis ist Pop. Ein Pop allerdings, der gar nichts zu tun hat mit dem Zeug, das sie im gemeinen Radio Pop nennen.Was beiden Platten gemein ist, was alle Veröffentlichungen von Sinnbus Records auszeichnet: Sie ragen heraus. Zumindest im Plattenregal, denn die CD-Verpackungen sind nicht nur ausgesucht liebevoll gestaltet, sondern zudem in einem Format, das gerade eben so von der Norm abweicht. Was man dann ja doch ruhig auch über die Musik sagen kann.THOMAS WINKLER