RICHARD ROTHER ÜBER DEN ERFOLG DER DEUTSCHEN AUTOINDUSTRIE
: Dicker, schneller, weiter so

Deutsche Straßen sind der Laufsteg für deutsche Autos, Umweltschäden der Preis für den Export

Während die italienische und französische Autoindustrie blutet, geht es den deutschen Autokonzernen trotz der Eurokrise relativ gut. Der Grund ist einfach: Die massiven Absatzeinbrüche, die alle Fahrzeughersteller in Süd- und Westeuropa hinnehmen müssen, können die deutschen durch Mehrverkäufe in aller Welt kompensieren. Immerhin 750.000 Beschäftigte hierzulande können aufatmen; ihre Jobs scheinen sicher. Ist also alles gut im Autoland Deutschland? Wohl kaum.

Der Erfolg der deutschen Autoindustrie gründet sich auf ihre Premiumstrategie: Viele (Neu-)Reiche in China, Indien, Russland, Brasilien und den USA kaufen dicke, schnelle und teure Autos aus Deutschland, die ein Statussymbol sind. Kraftstoffverbrauch und Umweltschäden sind dabei zweitrangig. Vom betriebswirtschaftlichen Erfolg der starken Marken aus den Häusern Daimler, BMW und Volkswagen profitieren nicht nur die Beschäftigten bei Konzernen und Zulieferern; ein Gutteil des relativen Wohlstands Deutschlands beruht darauf – auch im grünen Wendland oder im coolen Berlin.

Weil das so ist, hält jede Bundesregierung ihre Hand schützend über diese Industrie: Die CO2-Grenzwerte sind wenig ambitioniert, ein Tempolimit gibt es nicht, Dienstwagen werden steuerlich bevorzugt. Deutsche Straßen sind der Laufsteg für heimische Produkte, die daraus resultierenden Umwelt- und Gesundheitsschäden sind der Preis für den Exporterfolg. Können wir also stolz darauf sein, dass viele Reiche in den verstopften Metropolen der Schwellenländer in deutschen Autos im Stau stehen? Natürlich nicht. Aber wäre die Welt eine bessere, wenn sie in japanischen oder US-Schlitten säßen? Auch nicht. Bleibt dieses: Einer Branche, die sich so viel Innovationskraft zuschreibt, muss doch mehr zuzutrauen sein als ein bloßes „Weiter so“. Wo bleiben alternative Antriebe für die Zeit nach dem Öl? Und wo alternative Verkehrskonzepte für die Mega-Metropolen?

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