LESERINNENBRIEFE
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die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin | briefe@taz.de | www.taz.de/zeitungDie Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor . Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Orte der Verelendung

betr.: „Bauen was geht“, taz vom 10. 11. 16

Die anstehenden großen Bauaufgaben für Berlin/die Hauptstadtregion darzulegen, finde ich vorbildlich und angesichts der R2G-Koalitionsverhandlungen auch „just in time“. Was mir fehlt, sind zwei essentielle Voraussetzungen: 1. Das Defizit von 100.000 Wohnungen, die es in dieser Legislaturperiode neu bezahlbar und qualitätvoll zu bauen gilt von der öffentlichen Hand setzt voraus, dass es eine wesentlich höhere Mietbelastungsquote für einen Berliner Haushalt gibt als noch vor Jahren mit maximal 25 Prozent monatlicher Bruttowarmmiete als Einkommensanteil zugrunde gelegt. Bereits vor Monaten haben wissenschaftliche Expertisen von Fachleuten der Humboldt-Universität nachgewiesen, dass andernfalls ein Fehlbedarf aufgrund jahrzehntelanger Senatsversäumnisse eher bei 500.000 Wohnungen für Berlin seit der Zunahme der zu versorgenden Kriegsflüchtlinge bestehe. Diese extraordinäre „Defizitproduktion“, die unter anderem der Senat durch Privatisierung öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften fehlgesteuert hat, ist natürlich angesichts der Haushaltslage Berlins in einer Legislaturperiode kaum zu packen.

Das zweite große Missverständnis betrifft die Berliner Großsiedlungen als Modelle künftigen Bauens. Leider trägt die Überschrift nicht gerade zur Klarheit bei, denn Großsiedlungen, wie sie im Westberlin der 70er Jahre vor dem Hintergrund der Flächensanierung in den alten Mietskasernenvierteln hochsubventioniert als Märkisches Viertel oder auch Gropiusstadt entstanden, wurden auch als Orte der Verelendung von Wissenschaftlern gebrandmarkt. Es gab zuvor in den 20er Jahren heute noch in ihrer Struktur weltweit vorbildliche Großsiedlungen von Bruno Taut und Martin Wagner. Einiges gehört heute nicht zu Unrecht zum Unesco-Weltkulturerbe. Jörg Dargel,Berlin

Grinsende Polizisten prügeln

betr.: „Neoznazis stehen im Regen“, taz vom 7. 11. 16

Am Samstag stand ich mit etwa 200 anderen AntifaschistInnen stundenlang im Regen, um dann miterleben zu müssen, wie eine Staffel der Bereitschaftspolizei Sachsen die Kreuzung freiprügelt, damit die Nazis Richtung Scheunenviertel marschieren können. Für diese Aktion bestand kein Anlass, da es nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit ein Leichtes gewesen wäre, die Nazi-Demo abzusagen. Grinsende Polizisten freuten sich aber sichtlich, dass sie sich an uns austoben durften. Menschen wurde ins Gesicht geschlagen und selbst als alle schon am zurückweichen waren, wurde noch weiter auf die teilweise zu Boden stürzenden AntifaschistInnen eingeschlagen und getreten. Wer so eine Gewaltorgie unmittelbar mitbekommt, wird ratlos zurück gelassen.

Matthias Spissinger, Berlin

Keine gute Kost

betr.: „Eine ernüchternde Situation“, taz vom 14. 11. 16

Das angesprochene Thema von Kindern, die vom Essen ausgeschlossen sind, ist schlimm, aber es wird im Foto noch etwas anderes wohl ungewollt gezeigt: Entweder das Kind hat schon das Beste vom Teller gegessen und lässt das übrig, was es nicht mag, oder es isst noch an dem Menu: Reis mit grünen Bohnen. Soll das im Ernst das Essen sein, das sättigt? Stärkehaltiger Reis solo, garniert mit unreifem kalorienlosem Fruchtfleisch, das noch werdende Minibohnenkerne ummantelt, die einmal zu echten Bohnen werden könnten. Dann hätten wir eine gute Schulspeise: Reis mit reifen roten und weißen Bohnenkernen zum Beispiel. Das schmeckt toll und macht so richtig satt und soll sogar gesund sind. Das Vorgezeigte indes erinnert an die selbstgebraute Kost von Magersüchtigen. Ekkehard Schröder,Potsdam

Ungrüne Bürgerinitiative

betr.: „Anwohner finden Pläne zu betonbeton“, taz v. 15. 11. 16

Das Fraenkelufer ist an schönen Tagen eine beliebte Flaniermeile eben nicht nur für die Anwohner der Fraenkelufers. Die Pläne des Bezirks bringen nicht nur angeblich mehr Beton und weniger Grün, sondern insbesondere begehbare Wege für Fußgänger und Radler. Wie der erste fertiggestellte Bauabschnitt am Böcklerpark/Urbanhafen bereits zeigt, ist das Bauvorhaben des Bezirks durchaus gelungen. Im zweiten Bauabschnitt, der jetzt zur Abstimmung steht, geht es offensichtlich weniger um das Grün als um die quer geparkten Autos, die einem breiteren Weg für Fußgänger und Radler weichen müssten. Obwohl die Anzahl der neuen Parkplätze in Fahrtrichtung nicht weniger werden sollen, wird der Umbau von den Anliegern weiter abgelehnt. Nicht jede Bürgerinitiative, die sich grün gibt, ist offensichtlich auch grün.

Gerhard Gerlach, Berlin-Kreuzberg