„Oft nackte Brüste“

25 Jahre deutsche „Cosmopolitan“: Chefredakteurin Petra Gessulat über die Dinge, die ihre Zeitschrift anders macht – beim Sex

INTERVIEW Silke Burmester

taz: Frau Gessulat, wissen Sie, wie oft in 25 Jahren „Sex mit dem Ex“ ein Thema war?

Petra Gessulat: Nein. Es gibt von den Amerikanern Erhebungen, wann das erste Mal das Wort Orgasmus auf dem Titel auftaucht. Die Deutschen hatten schon mit der ersten Ausgabe die Zeile „Auch Männer können einen Orgasmus vortäuschen“. Wir haben schon sehr früh kein Blatt vor den Mund genommen. Und die Wörter sexy, Sex, Sexappeal tauchen auf fast auf jedem Titel auf.

Sie haben mit Ihrem zweiten Heft das bestverkaufte Heft seit fast zehn Jahren hingelegt. Was war auf dem Titel?

„Endlich der Richtige – knacken Sie den Geheimcode für Ihren Traumpartner“. Ich glaube aber auch, dass sich das Heft gut verkauft hat, weil wir dieses Sexbooklet drauf hatten: „211 Wege, Männern den Verstand zu rauben.“

Welche Titelthemen hatten Sie bisher?

„Sex, der Ihnen die Sinne raubt“ war im Juni, „Sex im Freien“ im Juli, „Handbuch für Sexgöttinnen“ war das Extra im August, „Fünf Schritte in den Sexhimmel“ im September und im Oktober da war das Wort Sex nicht groß, sondern „Die neue Lust am Laster“, als Unterzeile: „Wilde Sexpartys sind der letzte Schrei“.

Warum haben so viele Frauenzeitschriften Angst vor dem Thema Selbstbefriedigung?

Ich glaube, davor gibt es keine Angst. Spätestens seit dem Riesenerfolg von „Sex in the City“ ist es total gesellschaftsfähig, sich über diese Themen zu unterhalten.

Das stimmt für viele Sexthemen. Weibliche Selbstbefriedigung kommt dennoch kaum vor.

Wir haben heute gerade in der Konferenz das Thema auf dem Tisch gehabt, weil es wohl neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse gibt. Wir machen es nicht, wenn wir nichts Neues dazu haben.

Bleiben wir bei der Selbstbefriedigung, um den Erfolg von Cosmo zu verstehen. Was machen Sie anders?

Wir haben das Thema Sex immer schwerpunktmäßig im Heft. Man kann sich darauf verlassen. Und wir sind sehr offensiv. Wir nennen das Kind beim Namen. Es gibt keinen kichernden Unterton. Orgasmus heißt Orgasmus. Trotzdem sind wir nicht bierernst, sondern unterhaltsam. Wenn wir technische Sextipps haben, z. B. welche Stellungen sind jetzt gerade heißer, wenn man Sex im Freien haben will, dann liest die Leserin das nicht, um es nachzuturnen, die liest das wie einen Krimi.

Ihre Verkaufe ist nicht anders als die der Konkurrenz.

Das stimmt. Unsere Sexzeilen sind vielleicht gar nicht viel besser als die der Konkurrenz, aber Leserinnenbefragungen zeigen, wir schneiden besser ab. Die Leserin kommt mit einem anderen Vertrauen zu uns.

Weil Sex Ihre Kernkompetenz ist?

Genau. Die Leserin erwartet, dass wir das können.

Warum mutet im Vergleich zu der amerikanischen Cosmo die deutsche so katholisch an?

Das ist eher umgekehrt. Die Amerikaner sind unheimlich flott, was ihre Zeilen anbelangt, alles ist hot, hot, hot, aber dann kommt nicht mehr viel. Wir sind in dem, was wir schreiben, viel offensiver, auch in der Fotosprache. Wir zeigen oft nackte Brüste und Hintern, die Amerikaner sind immer angezogen.

Es heißt in Ihrem Verlag, die Cosmo hätte Grenzen eingerissen. Was kann man noch Spannendes machen, jetzt wo die Grenzen eingerissen sind?

Es gibt immer wieder spannendes Neuland in Punkto Partnerschaft und Psychologie. Aktuell stelle ich mit Erschrecken fest, dass die Weibchenhaltung wieder stark befördert wird. Alles, was Frauen in den letzten zwei, drei Jahrzehnten erreicht haben, wird zurückgefahren. Auf dem Buchmarkt, bei den Zeitschriften geht es nur darum: Hauptsache, ich kriege einen Typen. Wenn ich den dann habe, will ich nicht mehr arbeiten. Dann sorge ich dafür, dass es ihm gut geht.

Und da wollen Sie gegen anschreiben?

Ja. Ich will den Frauen einen Spiegel vor Augen halten und ihnen zeigen, was sie erreicht haben: Es ist so toll, was wir in so kurzer Zeit erreicht haben! In den 70er-Jahren durfte eine Frau nicht ohne Erlaubnis des Mannes arbeiten gehen. Da kann es doch nicht sein, dass du dich auf deine Rolle aus den 50er-Jahren zurückziehst!