Der Lebensdeuter

WAS SAGT UNS DAS? Werner Herzog wird Präsident der Berlinale-Jury. Eine nur kurzzeitige Heimholung

Was muss ein Mensch alles wissen, um als Präsident für die Jury eines großen Filmfestivals dranzukommen? Er sollte Filme gesehen haben, idealerweise hat er sogar welche gemacht oder darin mitgespielt. Er sollte auch die Welt gesehen haben, idealerweise nicht nur bei Werbeterminen für die Filme, die er gemacht oder in denen er mitgespielt hat. Er verfügt über ein gewisses Alter (wegen der Altersmilde), über eine gewisse Weisheit (kommt manchmal mit dem Alter) und hat darüber aber eine gewisse Streitlust doch noch nicht ganz eingebüßt.

Man muss eine Weile suchen, um jemand zu finden, der das alles erfüllt, aber die Berlinale hat nun einen Mann zum Präsidenten der Wettbewerbsjury 2010 ernannt, der wie eine Idealbesetzung wirkt: Werner Herzog, Regisseur, Abenteurer, Lebensdeuter. Ein Mann mit einem so beeindruckenden Aktionsradius, dass ganze Filmakademien da nicht hinterherkämen. Wenn man glaubt, seiner in Los Angeles habhaft werden zu können, ist er sicher gerade in Äthiopien, und nach Deutschland, von wo aus er einst zu einer legendären Fußwallfahrt nach Paris in die Cinémathèque française aufgebrochen ist, kommt er nur noch ganz selten. Es wird also wohl nur eine Heimholung für zehn Tage werden, wenn Herzog im Februar die Filme vor seinem Auge vorbeiziehen lässt, die Dieter Kosslick mit seinem Team in die Konkurrenz schickt.

Dabei hätte nicht zuletzt dieses Land an ihm einiges gutzumachen, denn es hat Herzog in den letzten Jahren sträflich ignoriert. Sein toller Film „Grizzly Man“ lief gerade mal in ein paar Kinos, seiner antarktischen Wundertüte „Encounters at the End of the World“ ging es nicht besser. Und sein ganz neuer? Hinter dem Starttermin von „Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans“ steht ein großes Fragezeichen. Dabei gehört der auf die große Leinwand, wie alles, was Werner Herzog gemacht hat. Großes Bärenwort! BERT REBHANDL