Kammer-Kritiker im Aufwind

BÜNDNIS Die Handelskammer-Opposition konnte sich Unterstützung von namhaften Unternehmen sichern. So kommen sie dem Ziel näher, Zwangsbeiträge abzuschaffen

Zwangsbeiträge in der Kritik: Handelskammer-Opposition will weniger Essen und mehr Wettbewerb Foto: Christian Charisius/dpa

von Gernot Knödler

Wer die Opposition im Plenum der Handelskammer bisher nicht ernst genommen haben sollte, tut es vielleicht jetzt: Das Bündnis „Die Kammer sind wir!“ hat sich die Unterstützung namhafter Unternehmer und Manager gesichert. Ihr Ziel ist es, die Zwangsbeiträge für das Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft abzuschaffen. Das soll die Kammer zwingen, sich dem Wettbewerb zu stellen.

„Uns ist es gelungen, ein Bündnis von der Schanze bis zum Ballindamm zu schmieden“, sagt der Unternehmensberater Tobias Bergmann, einer der Initiatoren von „Die Kammer sind wir!“. Mit Johann Killinger, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Buss Group, Torsten Teichert, Vorstand des Lloyd Fonds, den Schiffsmaklern Christian und Walter Hinneberg und Robert Lorenz-Meyer, Aufsichtsrat der Firma Ernst Russ, die Investitionen in Schiffe vermittelt, hat Bergmann prominente Köpfe um sich versammelt. Am Freitag will das Bündnis seine Kandidaten für die Plenumswahl im Januar und Februar 2017 vorstellen.

Bergmann ist sich bewusst, dass Unternehmer laut dem Kammergesetz von 1956 Mitglied in der Handelskammer sein müssen, daraus ergebe sich aber keine Beitragspflicht. „Die Kosten der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht“, heißt es im Gesetz.

Bergmann und seine Mitstreiter schlagen für die Zukunft eine kostenlose Basismitgliedschaft und eine Premiummitgliedschaft vor, für die ein gestaffelter Beitrag zu bezahlen wäre. Handelskammersprecher Jörn Arfs liest das Gesetz anders: Die Beiträge seien verpflichtend und nicht freiwillig.

Der Handelskammer müssen Firmen, so sie nicht zum Handwerk gehören, beitreten.

Die Kammer berät die Politik, sie nimmt Berufsprüfungen ab, kümmert sich um Weiterbildung und Beratung für Unternehmen.

Die Hamburger Handelskammer ist eine der ältesten und liest dem Senat regelmäßig die Leviten.

Die Beiträge bestehen aus einem Grundbetrag von 40 bis 575 Euro plus 0,22 Prozent vom Gewinn.

„Eine Organisation, die ihren Mitgliedern nicht mehr ihren Nutzen beweisen muss, läuft Gefahr, die Interessen ihrer Mitglieder aus den Augen zu verlieren“, warnt Buss-Chef Killinger, der die Kammer im gleichen Atemzug eine „sehr wertvolle Institution für Hamburg“ nennt. Bergmann illustriert das mit dem Hinweis, dass Dienstleistungen der Kammer von sehr vielen, oft migrantischen Unternehmen gar nicht genutzt werden.

„Verlierer wären die 40 Prozent kleinen, vom Beitrag befreiten Unternehmen“, warnt dagegen Kammersprecher Arfs. Denn sie profitierten von vielen untentgeltlichen Beratungen, die größere Unternehmen finanzierten. Ähnliches gelte für die Gebühren der Dualen Ausbildung, die zu 50 Prozent durch Beiträge finanziert werden. Eine Erhöhung könnte Lehrstellen kosten. Bergmann hält das für unsinnig. Die Gebühren werden anderswo, etwa in Hannover, zu 100 Prozent aus Beiträgen finanziert.

Lloyd-Fonds-Vorstand Teichert findet den politischen Vertretungsanspruch der Kammer fragwürdig. „Heute gibt es in der Wirtschaft nicht mehr nur eine Meinung, eine reine Lehre“, sagt Teichert. Deswegen sollte die Kammer mehr mit ihren Mitgliedern über deren Bedürfnisse sprechen. „Am Ende läuft es auf eine Diskussion hinaus, die es heute nicht gibt“, sagt Teichert.