Innenminister wollen NPD verbieten lassen

ZWEITER VERSUCH Zuständige Minister der Bundesländer empfehlen erneuten Antrag auf Verbot der rechtsextremen Partei. Kanzlerin und Grüne warnen vor Risiken

ROSTOCK taz | Ein neues Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD rückt immer näher. Bei ihrem Treffen in Rostock-Warnemünde empfahlen die Innenminister der Länder am Mittwoch den Ministerpräsidenten, die rechtsextreme Partei verbieten zu lassen. Skeptisch zeigten sich zuletzt nur noch zwei Länder, Hessen und Saarland, die deshalb in einer Fußnote auf die Risiken des Verfahrens verwiesen.

An diesem Donnerstag treffen sich die Ministerpräsidenten zu dem Thema, noch am 14. Dezember könnte der Bundesrat einen Beschluss für ein neues Verbotsverfahren fällen. Unklar ist, ob sich auch die Bundesregierung und der Bundestag dem Antrag der Länder anschließen werden. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wollte sich nach dem Treffen der Innenminister nicht festlegen, welche Empfehlung er dem Kabinett geben wird. „Die Chance, dass wir gewinnen, ist größer, als dass wir verlieren“, sagt er. „Aber wir müssen auch die Risiken sehen.“

Grundlage für das Verfahren ist eine rund 1.000-seitige Materialsammlung von Bund und Ländern über Hetzparolen und Straftaten von NPD-Kadern und NPD-Mitgliedern. Ob die zusammengetragenen Belege aber reichen, um die Hürden des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu überwinden, ist offen. Das erste NPD-Verbotsverfahren war wegen der undurchsichtigen V-Leute-Situation 2003 vor dem Verfassungsgericht gescheitert. Ohne überhaupt inhaltlich zu klären, ob die rechtsextreme Partei verbotswürdig ist, stellten die Karlsruher Richter das Verfahren wegen eines „nicht behebbaren Verfahrenshindernisses“ ein: gemeint war die Spitzelproblematik.

Um denselben Fehler nicht zu wiederholen, verzichten Bund und Länder nach eigenen Angaben seit Frühjahr auf bezahlte Spitzel auf den Führungsebenen der NPD. Auch für die Materialsammlung sollen nur „offene“ Quellen ausgewertet, auf Aussagen von V-Leuten soll verzichtet worden sein. 100-prozentig sicher scheint man sich aber in den Kreisen der Innenminister nicht zu sein. Bisher hat nur ein Viertel der Länder schriftlich versichert, dass ihr Material für das NPD-Dossier V-Mann-frei ist.

Zu den Verbotsskeptikern gehört neben Bundesinnenminister Friedrich auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die am Mittwoch per Sprecher auf „erhebliche Risiken“ hinwies. Die Prüfungen in dieser Frage seien „noch nicht abgeschlossen“, sagte Merkel dem Sender Phoenix. Es müsse sicher sein, „dass es aussichtsreich ist, wenn man ein NPD-Verbotsverfahren anstrebt“. Auch mehrere Grünen-Politiker warnten vor einer erneuten Niederlage. Dagegen sieht ein Rechtsgutachten Niedersachsens über die gesammelten Belege „hinreichende Erfolgsaussichten“ für ein Verbot.

Neben rassistischen, antidemokratischen und NS-verherrlichenden Aussagen finden sich in dem 1.007-seitigen Dossier auch offene Aufrufe zur Gewalt. Verbindungen zu gewaltbereiten Kameradschaften werden dort ebenso aufgeführt – zudem auch Querbezüge zur Terrorzelle NSU.

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